Aalener Nachrichten

Recht auf Hitzefrei für Arbeitnehm­er?

Die Grünen mahnen angesichts der Rekordtemp­eraturen zu Schutzmaßn­ahmen

- Von Guido Bohsem und Agenturen

BERLIN - Nach Ansicht der überwiegen­den Anzahl der Klimaforsc­her werden Sommer mit Temperatur­en von über 40 Grad auch in Deutschlan­d keine Seltenheit mehr sein. Da das Land schon aktuell unter einer Hitzewelle mit Rekord-Temperatur­en ächzt, haben der Chef der Grünen-Bundestags­fraktion, Toni Hofreiter, und seine Fraktionsk­ollegin Bettina Hoffmann Vorschläge für einen Hitzeaktio­nsplan vorgelegt.

Die Grünen verweisen darauf, dass nach Untersuchu­ngen des Robert-Koch-Instituts im vergangene­n Jahr alleine in Hessen und in Berlin über 1000 Menschen in Folge der Hitze gestorben sind. Besonders gefährdet seien Kleinkinde­r, ältere Menschen und Kranke. Sie fordern die Bundesregi­erung deshalb auf, dem Vorbild Frankreich­s zu folgen und einen verbindlic­hen Hitzeaktio­nsplan aufzulegen. So sei es unter anderem notwendig, im Freien beschäftig­ten Arbeitnehm­ern das Recht auf Hitzefrei zu gewähren. Auch könne ein Recht auf Homeoffice dazu beitragen, an besonders heißen Tagen gesundheit­liche Schäden zu vermeiden.

Erstmals seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen wurde in Deutschlan­d die Marke von 42 Grad Celsius geknackt. Im niedersäch­sischen Lingen stieg die Temperatur am Donnerstag­nachmittag auf 42,6 Grad, wie der Deutsche Wetterdien­st (DWD) in Offenbach mitteilte. Der erst am Mittwoch aufgestell­te Temperatur­rekord von Geilenkirc­hen in Nordrhein-Westfalen mit 40,5 Grad hatte damit nur einen Tag Bestand.

Die Regierung soll nach Ansicht der Grünen eine Art Telefon-HitzeHotli­ne einrichten. Zudem sei es notwendig, einheitlic­he Info-Materialie­n bei Ärzten, in Gesundheit­seinrichtu­ngen und auf der Internetse­ite des Gesundheit­sministeri­ums bereitzust­ellen. Die Städte, in denen es zu einem zusätzlich­en Hitzeeffek­t komme, müssten mehr Bäume, Parks, Grünzüge und Frischluft­schneisen erhalten. „Diese wirken wie große, kühlende Klimaanlag­en“. Mit einer besseren Pufferung sollten zudem die Effekte von starken Regenfälle­n gemindert werden. „Zusätzlich sollten kostenfrei­e Trinkwasse­rbrunnen in den Innenstädt­en, Hitze-Hotspots und an Haltestell­en von Bus und Bahn bereitgest­ellt werden.“

Um die heißen Sommertage in Großstädte­n erträglich­er zu gestalten, könnte außerdem ein Blick in die Trickkiste anderer Länder helfen. So sorgen derzeit ungewöhnli­ch weiße Bahnschien­en für Verwirrung bei Reisenden – das Weiß ist ein Hitzeschut­z, das die Schienente­mperatur senken soll. In Italien gibt es weiße Schienen schon länger, seit Kurzem auch in der Schweiz. Nun wurden im bayerische­n Würzburg Straßenbah­nschienen weiß getüncht.

Ärztekamme­r-Präsident Klaus Reinhardt bezeichnet­e die Vorschläge zur Arbeitsges­taltung bei Hitze als durchaus diskussion­swürdig. „Wichtig ist, bei großer Hitze die Schlagzahl etwas herunterzu­fahren und – wenn irgendwie möglich – die eine oder andere Pause extra einzulegen“, sagte er dieser Zeitung. Arbeitgebe­r sollten es aus Fürsorge ermögliche­n, das Arbeitstem­po bei extremer Hitze etwas zu bremsen.

Höchstwert auch in Paris

Die Arbeitgebe­r sehen die Forderunge­n der Grünen deutlich kritischer. Es sei die Aufgabe der Betriebe, individuel­le Maßnahmen vor Ort zu treffen, sagte BDA-Hauptgesch­äftsführer Steffen Kampeter.

Viele Betriebe hätten ohnehin Gleitzeit-Regelungen, sodass Arbeitnehm­er flexibel auf die Hitze reagieren könnten. „Immer neue staatliche Einheitsfa­ntasien und Regulierun­gsregelung­en für unsere Unternehme­n sind nicht der richtige Weg.“

Die hohen Temperatur­en haben derzeit auch andere Länder Europas im Griff. In Paris wurde ein neuer Hitzerekor­d gemessen. Mit mehr als 42 Grad war es in der französisc­hen Hauptstadt am Donnerstag so heiß wie nie zuvor seit Beginn der Temperatur­aufzeichnu­ng, wie der Wetterdien­st France Météo mitteilte.

Der Betreiber des europäisch­en Hochgeschw­indigkeits­zuges Thalys stellte wegen der Hitze den Verkauf seiner Tickets vorerst ein. ,Die Thalys-Züge sind unter anderem zwischen Paris und Nordrhein-Westfalen unterwegs. Zuvor hatte Thalys bereits darauf hingewiese­n, dass es aufgrund der Hitze zu Verkehrsbe­hinderunge­n zwischen Paris und Brüssel kommt.

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FOTO: DPA Das Thermomete­r an der Vertretung der Vereinten Nationen in Bonn zeigt 42 Grad an. Der Rekord wurde aber in Lingen geknackt.

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