Favorit in der Wohlfühlzone
VfB-Coach Tim Walter setzt vor dem Zweitligastart trotz Aufstiegsdruck auf Freude
STUTTGART (SID/dpa/falx) - Elf ehemalige Erstligisten, sieben ehemalige deutsche Meister und fünf Trainer mit Bundesligaerfahrung – die 2. Bundesliga präsentiert sich erstklassig. Auch wenn der VfB Stuttgart am Freitagabend (20.30 Uhr/ Sky) gegen Hannover 96 ran muss, Mario Gomez auf Ron-Robert Zieler trifft – und mindestens 50 000 Zuschauer ihren Blick auf die zwei leidgeprüfte Traditionsclubs richten, scheint das Unterhaus noch fern. Doch es ist bittere Realität, auch wenn Hannovers Trainer Mirko Slomka vor dem Auftaktduell in der Zweiten Liga von „Bundesliga-Feeling“spricht. Beide Absteiger wollen den Frust der vergangenen Monate endlich beiseiteschieben.
Der VfB sei „der absolute Favorit auf den Aufstieg“, betonte nicht nur 96-Torwart Zieler, der vergangene Saison noch für die Württemberger spielte. Diese Meinung hat er nicht exklusiv – im Gegenteil: So gut wie alle Zweitligatrainer und -Experten nennen Stuttgart als Topfavorit für die Saison.
Zumindest Tim Walter fühlt sich pudelwohl in dieser Rolle. „Ich bin gerne Favorit. Das war ich die ganzen Jahre davor nicht, also nehme ich es gerne an“, sagte der neue VfB-Trainer, der von Holstein Kiel kam. Den Druck, den er sich mit solchen Worten auch selbst auferlegt, scheint er regelrecht zu genießen. Er lachte viel auf seiner Pressekonferenz vor der Auftaktpartie.
Walter will Freude vermitteln
Seit seinem Amtsantritt versprüht Walter geradezu aufreizend viel Optimismus. „Es ging darum, ein Feuer zu entfachen – mit Spaß, guter Stimmung sowie mit Ablenkung“, sagte er jüngst in einem Sky-Interview: „Wir wollen Freude vermitteln, an dem was wir tun, denn das ist das Schönste, was es gibt.“Walter glaubt, dass die Strategie aufging. Unmittelbar vor dem Saisonstart sprach Walter von einer „super Harmonie in der Truppe“.
Die Frage ist nur, ob der angestrebte Aufschwung tatsächlich gelingt. Mit einem Spieleretat von rund 40 Millionen Euro hat der VfB den höchsten der Liga. Zudem sind die Kaderplanungen der Stuttgarter schon weitgehend abgeschlossen, auch wenn Timo Baumgartl am Donnerstag noch den Abflug zum PSV Eindhoven machte. Zwölf Millionen Euro soll der Club von Marc van Bommel für den 23-Jährigen zahlen.
Sportdirektor Sven Mislintat und Sportvorstand Thomas Hitzlsperger veränderten die Struktur des Teams nach dem Abstieg massiv, gestalteten die Altersstruktur ausgeglichener und könnten sogar noch nachlegen. Insgesamt kassierte der VfB allein für die drei Verteidiger Baumgartl, Benjamin Pavard und Ozan Kabak 62 Millionen Euro an Ablöse; die Kosten des Abstiegs sollten damit zumindest für eine Saison gedeckt sein.
Stimmung bei 96 ist gemischt
Zudem steht Neu-Coach Walter mit seiner Emotionalität und seinem Selbstbewusstsein für die erhoffte Aufbruchsstimmung. Er wolle seine Jungs „anfixen“, ihnen seine spezielle Art vom Fußball rüberbringen, dabei aber „kein Gute-Laune-Bär“sein, sondern mit seinem Spaß an der Arbeit überzeugen. Außerdem sei es ihm „scheißegal“, dass Ex-Nationalspieler Gomez für einen ZweitligaSpieler sehr viel Geld verdiene. Mit seiner offensiven Art kommt der 43Jährige bisher gut an, was beim VfB die Hoffnung auf einen erfolgreichen Saisonstart nährt.
Die Stimmungslage bei den 96ern ist gemischter. Auch Slomka gab sich spürbar Mühe, gute Laune zu verbreiten. Aber der Auftakt in Stuttgart ist für ihn und seine Mannschaft auch einer ins Ungewisse. Seinen Wunschkader hat der Trainer-Rückkehrer jedenfalls noch nicht beisammen. Aber „wir müssen erst verkaufen, bevor wir etwas machen können“, sagte er. Viel Bewegung ist in dieser Sache derzeit nicht in Sicht. Aber es kann ja manchmal schnell gehen im Fußball, ebenso wie auf dem Rasen am Freitagabend in Stuttgart. Er verspüre jedenfalls schon ein „Kribbeln“, verriet Slomka. Es fühlt sich ja auch für ihn noch ein bisschen wie Bundesliga an.