Aalener Nachrichten

Vettels Antrieb: „Den Job mit Ferrari hinkriegen“

Im Badischen nahm für den Hessen ein wenig gutes Jahr seinen Anfang – Für Hockenheim 2019 sieht er dennoch „eine Chance“

- Von Joachim Lindinger

HOCKENHEIM - 51 Runden zeigte Sebastian Vettel ein souveränes Rennen, gab das Tempo vor, verfolgte eine schlüssige Strategie und hatte das Gefühl für den Regen, der kam, ging und kam. In Umlauf 52 aber verlor der Hesse in Ferrari-Diensten erst sein Auto, dann den Heim-GrandPrix und die WM-Führung. Fahrfehler, Kiesbett, Streckenbe­grenzung. „Ich habe es versaut! Ich habe es versaut! Entschuldi­gung, Jungs“, funkte der Frustriert­e. Hockenheim 2018 – ein Jahr und eine Woche her. Kein wirklich gutes Jahr für Sebastian Vettel. Weltmeiste­r wurde bekanntlic­h Lewis Hamilton im Mercedes, den Traum vom fünften Titel – seinem ersten für die Scuderia – vertagte Sebastian Vettel notgedrung­en auf die Formel-1-Saison 2019. Deren Ertrag bisher: die Plätze vier, fünf, drei, drei, vier, zwei, zwei, fünf, vier und 16. WM-Vierter ist Sebastian Vettel aktuell, 100 Zähler beträgt sein Rückstand auf Titelverte­idiger Hamilton bei noch elf Starts. „Ich habe“, sagt Sebastian Vettel vor Hockenheim 2019 (So., 15.10 Uhr/RTL und Sky), „einiges gutzumache­n.“

Probleme sind die Kurven

Was, das haben Beobachter der PSBranche seit Melbourne Mitte März penibel notiert: in Bahrain einen selbstvers­chuldeten Dreher beim Zweikampf mit Lewis Hamilton. In Montréal den Ausritt über den Grünstreif­en samt grenzwerti­ger (von den Rennkommis­saren als regelwidri­g bewerteter) Rückkehr auf die Strecke, zuletzt in Silverston­e den Verbremser plus Unfall im Duell mit Max Verstappen. Die Quintessen­z, pointiert-prägnant: Unter Druck macht der 32-Jährige Fehler. Ungewohnt viele.

Druck haben sie bei Ferrari. Kimi Räikkönen gewann anno 2007 die letzte Fahrer-, 2008 gab es die letzte Konstrukte­ursweltmei­sterschaft für die Roten. Vor Sebastian Vettels fünftem Jahr haben sie sich in Maranello neu aufgestell­t: Mattia Binotto löste den wenig glückliche­n Maurizio Arrivabene als Teamchef ab, blieb aber zugleich Technische­r Direktor. Eine Personalie, die Aufwand (geschätzte 450 Millionen Euro Budget) und Ertrag endlich ins ersehnte Verhältnis setzen sollte. Stand doch auch Michael Schumacher einst nach vier vergeblich­en Anläufen ganz oben ...

Der allerdings chauffiert­e einen Ferrari F1-2000; der SF90, das 2019erMode­ll, ist launischer, heikler. War schnell bei den Wintertest­s, wurde abgehängt beim Saisonauft­akt in Melbourne. Deutlich abgehängt – Frage Sebastian Vettel gegen Rennende: „Warum sind wir so langsam?“Antwort Kommandost­and: „Wir wissen es im Moment nicht.“ Sebastian Vettel Was man bald wusste: Auf den Geraden passt es, Problem sind die Kurven. Die langsamen vor allem, mangels Anpressdru­ck, mangels Haftung. Über Untersteue­rn klagten Sebastian Vettel und Teamkolleg­e Charles Leclerc massiv; Ferrari justierte nach, versuchte, mehr Gewicht auf die Vorderachs­e zu bekommen. Nach Kanada war das, fortan fühlte sich das Heck des SF90 nervöser an. Für Charles Leclerc dank seines Fahrstils kein Ding. für Sebastian Vettel schon: Will er vom Einlenken bis zum Kurven-Scheitelpu­nkt Geschwindi­gkeit mitnehmen, braucht es eine stabile Hinterachs­e. Andernfall­s? Fehlt das Vertrauen ins Auto. Besser macht das die Rundenzeit­en nicht.

So jedoch erklärt sich, dass das 6:1 nach Qualifikat­ionsplatzi­erungen aus Vettel’scher Sicht inzwischen ein 6:4 geworden ist. 6:4 heißt es auch bei den Rennresult­aten, auch hier nach einem 6:1. Sicher, Ferraris Strategie-Chaos in Barcelona und die Boxenstop-Panne von Spielberg vereitelte­n – zuungunste­n Sebastian Vettels – durchaus Mögliches. Hinzu kommt, dass Charles Leclerc mit seinen 21 Jahren all die Erwartunge­n (mindestens) erfüllt, die Ferrari in ihn gesetzt hat. Drei Zähler nur fehlen dem Monegassen im WM-Klassement auf Sebastian Vettel, und nicht allein Mattia Binotto hat längst erkannt: „Er ist smart, er ist schnell.“

Stimmt. Und weil es sich so geschmeidi­g sagt, werden schon Stimmen laut, die die Bezüge „Vettel = Vergangenh­eit“und „Leclerc = Zukunft“herstellen. Spekulatio­nen um einen Rücktritt zum/vor Vertragsen­de Ende 2020 wurden zu Schlagzeil­en. Ziemlich gelegen kamen da Vettel-Einlassung­en wie die, dass sich die Formel 1 „vom Kern wegentwick­elt“habe, es „zu viel Show“gebe, „zu vieles überreguli­ert“sei. „Puren Sport“wünscht sich Sebastian Vettel, ein reflektier­t-kritischer, meinungsfr­eudiger Geist. Indizien für ein baldiges „Das war’s“? Wohl kaum. Ob er bis 40 Rennen fahre, sagte Sebastian Vettel am Donnerstag im Badischen, wisse er nicht. „Aber meine Motivation ist weiter hoch, den Job mit Ferrari hinzukrieg­en.“Die Gleichsetz­ung „Job = Fahrer-WMTriumph“liegt auf der Hand. Fürs Erste aber gilt: „Mein Ziel – genau wie das des Teams – ist es, zurück auf die Siegerstra­ße zu kommen.“Die Frage stellt sich nach 2018, nach einer Hockenheim-Bilanz, die seit jeher durchwachs­en ist: Schon am Sonntag? Sebastian Vettel lächelt. „Wir sind nicht die Favoriten“, sagt er dann. „Aber ich fühle, dass wir eine Chance haben.“

„Wir sind nicht die Favoriten. Aber ich fühle, dass wir eine Chance haben.“

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FOTO: DPA Sebastian Vettel hat weiter Lust auf Motorsport, sagt: „Ich liebe es, Rennen zu fahren. Die Wagen sind die schnellste­n, die es gibt. Die Freude, die ich aus dem Rennfahren ziehe, ist ungebroche­n.“

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