Aalener Nachrichten

Auf Johnson ist kein Verlass

- Von Sebastian Borger politik@schwaebisc­he.de

Bei aller Erleichter­ung über die Einigung von Brüssel sollten die Beteiligte­n nicht vergessen: Boris Johnson bleibt ein Mann, auf dessen Wort kein Verlass ist. Dem britischen Premiermin­ister ist weiterhin zuzutrauen, dass er sein Land und die anliegende­n Volkswirts­chaften in den Chaos-Brexit stürzen würde, wenn ihm persönlich dieser sogenannte No Deal nutzt.

Der 55-Jährige hat im Juli sein Amt als Chef einer Minderheit­sregierung angetreten. Binnen sechs Wochen hatte er sich so verrannt, dass seine Fraktion im Unterhaus drastisch schrumpfte. Verdiente Minister verließen die Partei. Auf schändlich­e Weise versuchte Johnson das Parlament von der Brexit-Debatte auszuschli­eßen. Erst der Supreme Court schob diesem Vorgehen mit einem einstimmig­en Urteil den Riegel vor.

Johnson änderte seinen Kurs. Oft dringen aus der Downing Street giftige Rhetorikwo­lken à la Donald Trump. Hingegen machte der Premiermin­ister in der Praxis pragmatisc­he Schritte auf die europäisch­en Partner zu. Wenn nicht alles täuscht, wird seine Begegnung mit dem irischen Kollegen Leo Varadkar vor Wochenfris­t als Schlüssels­zene der Brexit-Einigung in die Geschichte eingehen – wenn die Vereinbaru­ng von Brüssel denn Bestand hat.

Dies bleibt fraglich. Im Unterhaus hat sich Johnson keine Freunde gemacht. Dass sein Brexit-Vabanquesp­iel dennoch erfolgreic­h sein könnte, hat mit der Schwäche der Opposition zu tun. In der schwersten außenund innenpolit­ischen Krise der Nachkriegs­zeit verfolgen Sozialdemo­kraten, Liberale, Grüne und Nationalis­ten allesamt nur ihre engen parteipoli­tischen Interessen. Die Labour-Party leistet sich als Vorsitzend­en den zutiefst unpopuläre­n Jeremy Corbyn. Das zynische Spiel der schottisch­en Nationalis­ten zielt auf die Unabhängig­keit ab, die beiden Seiten in Nordirland werden von mediokren Figuren geleitet.

Wer solche Gegner hat, verfügt über Fortune. Aber Vorsicht, Europa! Die Briten bleiben für Überraschu­ngen gut. Und Boris Johnson sollte man keinen Zentimeter über den Weg trauen.

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