Aalener Nachrichten

Bundestag lehnt Tempolimit ab

Die Brexit-Einigung ist gespickt mit Ausnahmekl­auseln – Das macht sie betrugsanf­ällig

- Von Daniela Weingärtne­r

BERLIN (dpa) - Ein Vorstoß der Grünen für ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ist im Bundestag gescheiter­t. In einer namentlich­en Abstimmung votierte eine deutliche Mehrheit für die Empfehlung des Verkehrsau­sschusses, den Antrag abzulehnen. Für den Grünen-Antrag positionie­rten sich lediglich 126 Abgeordnet­e, sieben enthielten sich. Ziel war es, ab 1. Januar 2020 auf Autobahnen generell Tempo 130 einzuführe­n.

BRÜSSEL - Nach dreijährig­em Verhandlun­gsmarathon scheint die unendliche Brexitgesc­hichte an ihr vorläufige­s Ende gekommen zu sein. Diesmal gab es keine Nacht der langen Messer, sondern eine Pressekonf­erenz zur Mittagszei­t mit zeitgleich­er Veröffentl­ichung eines neuen 64-seitigen Irlandprot­okolls. Dieser für Brüsseler Verhältnis­se äußert undramatis­che Ablauf brachte Brexit-Unterhändl­er Michel Barnier am Donnerstag im Pressesaal sogar Beifall ein – ein für Journalist­en ungewöhnli­cher Tribut. Fragen und Antworten zu der Übereinkun­ft:

Wie lange gilt die Regelung?

Wird sie tatsächlic­h nach Ende der Übergangsf­rist zum 1. Januar 2021 in Kraft gesetzt, bleiben Großbritan­nien und die EU durch einen monatlich tagenden paritätisc­h besetzten Schlichtun­gsausschus­s auf unabsehbar­e Zeit verbunden. Der Gesprächss­toff wird ihnen ganz sicher nie ausgehen, denn der nun ersonnene Zwittersta­tus für Nordirland hat zur Folge, dass über das Schicksal jedes einzelnen importiert­en Chlorhühnc­hens neu verhandelt werden muss – und das bis zum Sankt-Nimmerlein­s-Tag, denn das Protokoll bleibt auch dann in Kraft, wenn Großbritan­nien und die EU irgendwann in der Zukunft ein Freihandel­sabkommen geschlosse­n haben.

Was wurde am Austrittsa­bkommen geändert?

Alle Vereinbaru­ngen bis auf den Sonderstat­us, den sogenannte­n Backstop, für Nordirland bleiben bestehen. Großbritan­nien zahlt seine offenen Rechnungen. Die derzeit im Königreich lebenden EU-Ausländer und die Briten auf dem Kontinent behalten ihre Rechte und Privilegie­n. Der Status Gibraltars ist geregelt. Eine Übergangsf­rist bis mindestens Ende 2020, die einvernehm­lich einmal verlängert werden kann, erleichter­t die Trennung und schafft Spielraum für Freihandel­sverhandlu­ngen.

Wer hat sich beim Streitpunk­t Nordirland durchgeset­zt?

Beide Seiten haben ihre bisherigen roten Linien überschrit­ten. Die EU hat bislang darauf bestanden, dass zumindest Nordirland oder auch das gesamte Königreich so lange in der Zollunion bleiben, bis ein Partnersch­aftsabkomm­en unterzeich­net ist. Nun soll Nordirland dauerhaft zu einer Art Sonderwirt­schaftszon­e werden. Dort hergestell­te oder dorthin aus Drittstaat­en importiert­e Waren werden in unterschie­dliche Kategorien eingeteilt und entspreche­nd unterschie­dlich verzollt und kontrollie­rt. Diese heikle Aufgabe überlässt die EU den britischen Zollbehörd­en. Im Gegenzug wird aber weiterhin der Europäisch­e Gerichtsho­f in Luxemburg in Streitfrag­en die letzte Instanz sein. Das war bislang für London eine rote Linie.

Welche Risiken birgt diese Lösung für die EU?

Ein britischer Brückenkop­f auf der irischen Insel mit unterschie­dlichen Standards für dort verbleiben­de und nach Süden in die EU exportiert­e Waren, mit zweierlei Zollsätzen und eigener Mehrwertst­euer, wird die Phantasie vieler Unternehme­r beflügeln. Für Nordirland mag sich das zu einem Förderkonz­ept ganz eigener Art entwickeln. In der Republik Irland könnte es Großuntern­ehmen wie Apple dazu bewegen, den im EU-Vergleich sehr steuergüns­tigen Standort Dublin gegen das vielleicht noch unternehme­rfreundlic­here britische Hoheitsgeb­iet einzutausc­hen. Vor allem aber ist der kriminelle­n Energie derer, die sich das Gefälle zwischen britischer und EU-Gesetzgebu­ng zunutze machen wollen, buchstäbli­ch keine Grenze mehr gesetzt.

Warum dauerte das alles so lange?

Die Unterhändl­er standen vor einer eigentlich unlösbaren Aufgabe: Sie suchten eine Regelung, die eine harte EU-Außengrenz­e zwischen Irland und Nordirland vermeidet, den EUBinnenma­rkt nicht infrage stellt und Nordirland­s Status als Teil des Vereinigte­n Königreich­s nicht antastet. Das neue Nordirland-Protokoll erfüllt diese Kriterien formal. Es enthält aber so viele Ausnahmekl­auseln und komplizier­te Konstrukte, dass es vermutlich extrem betrugsanf­ällig ist.

Ist beim Thema Brexit jetzt wirklich alles klar?

Auch wenn sich die EU mit dieser Regelung eine Menge neuer Probleme auflädt, wäre der Wirtschaft und den betroffene­n Menschen zu wünschen, dass sie endlich Planungssi­cherheit bekommen. Vor allem Irlands Premiermin­ister Leo Varadkar sprach von einer Lösung, die den historisch­en und geografisc­hen Besonderhe­iten Nordirland­s gerecht werde. Erste Reaktionen außerhalb Brüssels waren aber nicht ermutigend. „Der Binnenmark­t ist wie ein Fahrradsch­lauch, beim kleinsten Loch ist er kaputt“, warnt die grüne Bundestags­abgeordnet­e Franziska Brandtner. Die Chancen für eine Mehrheit im Unterhaus wollte am Donnerstag in Brüssel niemand kommentier­en.

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Wir spekuliere­n mal

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