Bundestag lehnt Tempolimit ab
Die Brexit-Einigung ist gespickt mit Ausnahmeklauseln – Das macht sie betrugsanfällig
BERLIN (dpa) - Ein Vorstoß der Grünen für ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ist im Bundestag gescheitert. In einer namentlichen Abstimmung votierte eine deutliche Mehrheit für die Empfehlung des Verkehrsausschusses, den Antrag abzulehnen. Für den Grünen-Antrag positionierten sich lediglich 126 Abgeordnete, sieben enthielten sich. Ziel war es, ab 1. Januar 2020 auf Autobahnen generell Tempo 130 einzuführen.
BRÜSSEL - Nach dreijährigem Verhandlungsmarathon scheint die unendliche Brexitgeschichte an ihr vorläufiges Ende gekommen zu sein. Diesmal gab es keine Nacht der langen Messer, sondern eine Pressekonferenz zur Mittagszeit mit zeitgleicher Veröffentlichung eines neuen 64-seitigen Irlandprotokolls. Dieser für Brüsseler Verhältnisse äußert undramatische Ablauf brachte Brexit-Unterhändler Michel Barnier am Donnerstag im Pressesaal sogar Beifall ein – ein für Journalisten ungewöhnlicher Tribut. Fragen und Antworten zu der Übereinkunft:
Wie lange gilt die Regelung?
Wird sie tatsächlich nach Ende der Übergangsfrist zum 1. Januar 2021 in Kraft gesetzt, bleiben Großbritannien und die EU durch einen monatlich tagenden paritätisch besetzten Schlichtungsausschuss auf unabsehbare Zeit verbunden. Der Gesprächsstoff wird ihnen ganz sicher nie ausgehen, denn der nun ersonnene Zwitterstatus für Nordirland hat zur Folge, dass über das Schicksal jedes einzelnen importierten Chlorhühnchens neu verhandelt werden muss – und das bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag, denn das Protokoll bleibt auch dann in Kraft, wenn Großbritannien und die EU irgendwann in der Zukunft ein Freihandelsabkommen geschlossen haben.
Was wurde am Austrittsabkommen geändert?
Alle Vereinbarungen bis auf den Sonderstatus, den sogenannten Backstop, für Nordirland bleiben bestehen. Großbritannien zahlt seine offenen Rechnungen. Die derzeit im Königreich lebenden EU-Ausländer und die Briten auf dem Kontinent behalten ihre Rechte und Privilegien. Der Status Gibraltars ist geregelt. Eine Übergangsfrist bis mindestens Ende 2020, die einvernehmlich einmal verlängert werden kann, erleichtert die Trennung und schafft Spielraum für Freihandelsverhandlungen.
Wer hat sich beim Streitpunkt Nordirland durchgesetzt?
Beide Seiten haben ihre bisherigen roten Linien überschritten. Die EU hat bislang darauf bestanden, dass zumindest Nordirland oder auch das gesamte Königreich so lange in der Zollunion bleiben, bis ein Partnerschaftsabkommen unterzeichnet ist. Nun soll Nordirland dauerhaft zu einer Art Sonderwirtschaftszone werden. Dort hergestellte oder dorthin aus Drittstaaten importierte Waren werden in unterschiedliche Kategorien eingeteilt und entsprechend unterschiedlich verzollt und kontrolliert. Diese heikle Aufgabe überlässt die EU den britischen Zollbehörden. Im Gegenzug wird aber weiterhin der Europäische Gerichtshof in Luxemburg in Streitfragen die letzte Instanz sein. Das war bislang für London eine rote Linie.
Welche Risiken birgt diese Lösung für die EU?
Ein britischer Brückenkopf auf der irischen Insel mit unterschiedlichen Standards für dort verbleibende und nach Süden in die EU exportierte Waren, mit zweierlei Zollsätzen und eigener Mehrwertsteuer, wird die Phantasie vieler Unternehmer beflügeln. Für Nordirland mag sich das zu einem Förderkonzept ganz eigener Art entwickeln. In der Republik Irland könnte es Großunternehmen wie Apple dazu bewegen, den im EU-Vergleich sehr steuergünstigen Standort Dublin gegen das vielleicht noch unternehmerfreundlichere britische Hoheitsgebiet einzutauschen. Vor allem aber ist der kriminellen Energie derer, die sich das Gefälle zwischen britischer und EU-Gesetzgebung zunutze machen wollen, buchstäblich keine Grenze mehr gesetzt.
Warum dauerte das alles so lange?
Die Unterhändler standen vor einer eigentlich unlösbaren Aufgabe: Sie suchten eine Regelung, die eine harte EU-Außengrenze zwischen Irland und Nordirland vermeidet, den EUBinnenmarkt nicht infrage stellt und Nordirlands Status als Teil des Vereinigten Königreichs nicht antastet. Das neue Nordirland-Protokoll erfüllt diese Kriterien formal. Es enthält aber so viele Ausnahmeklauseln und komplizierte Konstrukte, dass es vermutlich extrem betrugsanfällig ist.
Ist beim Thema Brexit jetzt wirklich alles klar?
Auch wenn sich die EU mit dieser Regelung eine Menge neuer Probleme auflädt, wäre der Wirtschaft und den betroffenen Menschen zu wünschen, dass sie endlich Planungssicherheit bekommen. Vor allem Irlands Premierminister Leo Varadkar sprach von einer Lösung, die den historischen und geografischen Besonderheiten Nordirlands gerecht werde. Erste Reaktionen außerhalb Brüssels waren aber nicht ermutigend. „Der Binnenmarkt ist wie ein Fahrradschlauch, beim kleinsten Loch ist er kaputt“, warnt die grüne Bundestagsabgeordnete Franziska Brandtner. Die Chancen für eine Mehrheit im Unterhaus wollte am Donnerstag in Brüssel niemand kommentieren.