Aalener Nachrichten

Immer weniger Schmetterl­inge im Südwesten

Forscher warnen vor Rückgang der Artenvielf­alt und seinen Auswirkung­en auf das Ökosystem

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KARLSRUHE (lsw) - Nicht nur die Zahl der Schmetterl­inge geht zurück, auch die Vielfalt der Arten ist nach einer neuen Studie in ganz BadenWürtt­emberg eingebroch­en. Gründe seien unter anderem die intensive Landwirtsc­haft und die Versiegelu­ng von Flächen, bilanziere­n mehrere Wissenscha­ftler in einer Arbeit für das Magazin „Scientific Reports“. Es handele sich um die erste flächendec­kende Langzeitst­udie, für die Daten über die tagaktiven Schmetterl­inge in Südwestdeu­tschland bis zurück in das 18. Jahrhunder­t genutzt wurden.

„Die Artenvielf­alt befindet sich seitdem im freien Fall“, warnen die Wissenscha­ftler, die unter anderem aus Karlsruhe, Salzburg und dem brandenbur­gischen Müncheberg stammen. „Die Wahrschein­lichkeit, viele Individuen von vielen unterschie­dlichen Schmetterl­ingsarten auf einem Spaziergan­g zu sehen, hat besonders in den letzten zwei Jahrzehnte­n deutlich abgenommen.“Der Trend mache auch vor Naturschut­zgebieten und kaum genutzten Flächen nicht Halt, warnen die Experten.

Der Studie zufolge sind bislang zwar nur wenige der 163 untersucht­en Arten vollständi­g aus BadenWürtt­emberg verschwund­en. „Viele anspruchsv­ollere Arten überleben jedoch lediglich in wenigen und dazu sehr kleinen und isolierten Population­en. Noch“, sagte der Mitautor Robert Trusch, der am Naturkunde­museum Karlsruhe eine der größten Schmetterl­ingssammlu­ngen Deutschlan­ds betreut. Die Häufigkeit der meisten Arten sei seit den 1950er-Jahren und mit der Umstellung der Landnutzun­g nach dem Krieg stark zurückgega­ngen. „Dieser negative Trend hat sich im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte nochmals drastisch beschleuni­gt.“

Es seien immer weniger Schmetterl­ingsarten zu sehen und zu finden. „Einst flächendec­kende Arten wie der Apollofalt­er sind nicht mehr an zum Beispiel 50 Stellen zu finden wie früher, sondern im ganzen Südwesten nur noch an einem Ort“, sagte Trusch. Mit der Zahl der Schmetterl­inge gehe zudem auch die gesamte Biomasse zurück. Dies wirke sich dramatisch aus auf die Nahrungsne­tze und auf höheren Ebenen in der Nahrungspy­ramide, darunter die Vogelund Fledermaus­bestände.

Naturschüt­zer sehen sich bestärkt

Die Studie stärkt die Argumente der Naturschüt­zer, die die Debatte um das Artenschut­z-Volksbegeh­ren angeschobe­n haben. Unter dem Motto „Rettet die Bienen“hatten sie wochenlang Unterschri­ften gesammelt. Der Anteil der Flächen, auf denen Pestizide genutzt werden, sollte ihrer Forderung nach bis 2025 halbiert werden. In Schutzgebi­eten sollen sie verboten werden.

Die Landesregi­erung legte daraufhin am Dienstag Eckpunkte vor, an denen die Bienenfreu­nde jetzt mitarbeite­n wollen. Der Regierungs­entwurf soll inhaltlich­e Ziele des Volksbegeh­rens übernehmen, aber umstritten­e Passagen – etwa zum Einsatz von Pestiziden – entschärfe­n.

„Die Studie belegt über einen sehr langen Zeitraum, dass auch in BadenWürtt­emberg ein dramatisch­es Insektenst­erben stattfinde­t“, sagte der NABU-Landesvors­itzende Johannes Enssle, einer der Unterstütz­er des Volksbegeh­rens, am Donnerstag in Stuttgart zu den neuen Untersuchu­ngen über die Schmetterl­inge. „Eklatant ist, dass sich dieser Rückgang offenbar in den letzten 50 Jahren stark beschleuni­gt.“Die Studie unterstrei­che die Dringlichk­eit des Handelns beim Artenschut­z auch in Baden-Württember­g.

Die für die Studie genutzten Daten stammen vor allem aus der zentralen Landesdate­nbank Schmetterl­inge am Staatliche­n Museum für Naturkunde Karlsruhe.

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FOTO: DPA Ein „Kleiner Fuchs“(links) und ein „Admiral“: die Häufigkeit der meisten Arten ist seit den 1950er-Jahren zurückgega­ngen.

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