Aalener Nachrichten

Viele Skeptiker im Unterhaus

Johnson legt Austrittsp­aket am Samstag dem Parlament zur Abstimmung vor

- Von Sebastian Borger

LONDON - Nach der Einigung in Brüssel konzentrie­rt sich die Aufmerksam­keit der Londoner Politik nun auf die notwendige Zustimmung des Parlaments. Das Unterhaus stimmte am Donnerstag­nachmittag der ersten Samstagssi­tzung seit 37 Jahren zu. Um seinen „großartige­n neuen Deal“verabschie­den zu können, muss Premier Boris Johnson viele Skeptiker umstimmen. Sowohl die Opposition­sparteien wie auch die nordirisch­e Unionisten­partei DUP kündigten ihre Ablehnung an.

Weil das Votum der DUP auch die Stimmung unter Johnsons konservati­ven Brexit-Hardlinern negativ beeinfluss­en dürfte, reagierten die Finanzmärk­te negativ. War das Pfund gegenüber Dollar und Euro zunächst um mehr als ein Prozent gestiegen, sackte es nach der Mitteilung aus Belfast um 0,2 Prozent ab. Im Vergleich zum Stand vor der Volksabsti­mmung vom Juni 2016 liegt die britische Währung um etwa 13 Prozent niedriger. Wirtschaft­sverbände und Gewerkscha­ften beklagen einen Investitio­nsrückgang wegen der anhaltende­n Brexit-Unsicherhe­it.

Diese will Premier Johnson durch sein neues Verhandlun­gspaket beenden. Beim Gipfel in Brüssel werde der 55-Jährige um keine weitere Verlängeru­ng der Austrittsp­eriode nachsuchen und alle Angebote weiterer Bedenkzeit verweigern, hieß es in der Downing Street. Damit will Johnson Druck auf die Parlamenta­rier ausüben. „Entweder dieser Deal oder gar keiner“, lautet das Regierungs­motto.

Kein Vetorecht für Belfast

Dem als „No Deal“bezeichnet­en Chaos-Brexit zum Monatsende hatte das Unterhaus vergangene­n Monat einen Riegel vorzuschie­ben versucht, indem es Johnson eine Entscheidu­ng bis zu diesem Samstag aufzwang. Diesen Ball hat der Konservati­ve nun zurückgesp­ielt.

Die Arithmetik im Unterhaus spricht nicht unbedingt dafür, dass sein Plan aufgeht. Die Unionisten begründete­n ihre Ablehnung mit einer „Gefahr für die Integrität der Union“– ein Argument, das auch auf dem rechten Flügel von Johnsons offiziell „konservati­v und unionistis­ch“genannten Partei widerhalle­n dürfte. Die Britannien-treuen Nordiren ärgern sich darüber, dass ihnen, anders als zwischenze­itlich von London versproche­n, kein Vetorecht über die neue Vereinbaru­ng eingeräumt wurde. Stattdesse­n kann der Belfaster Landtag mit einfacher Mehrheit eine Fortschrei­bung des zunächst geltenden Sonderstat­us beschließe­n. Dadurch, so fürchtet DUP-Chefin Arlene Foster, entstehe nach und nach eine Abkapselun­g ihrer Provinz von Großbritan­nien, insbesonde­re durch die neuen Zollvorsch­riften. Ihnen zufolge bleibt der Nordosttei­l der irischen Insel zwar de jure im Zollgebiet des Vereinigte­n Königreich­es, befindet sich aber de facto in einer Zollgemein­schaft mit der Republik im Süden.

Von einem „Ausverkauf“sprach Labour-Chef Jeremy Corbyn und nannte das neue Paket „schlechter als der Deal von Theresa May“. Der eigentlich eingefleis­chte Skeptiker der EU-Institutio­nen hat sich mittlerwei­le der Mehrheit seiner Partei angeschlos­sen: Labour will nun mit einer zweiten Volksabsti­mmung den Brexit ganz verhindern. Ähnlich argumentie­ren auch die schottisch­en und walisische­n Nationalis­ten, Grüne und Liberaldem­okraten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany