Aalener Nachrichten

Sauberer Abbau für saubere Energie

Südwest-Unternehme­n will Lithium-Förderung in Bolivien umweltfreu­ndlich gestalten

- Von Florencia Martin

LA PAZ/ZIMMERN OB ROTTWEIL (dpa) - Auf 3700 Metern Höhe Geschäfte zu machen, ist nicht jedermanns Sache. Doch für die Manager der Firma ACI Systems aus Zimmern ob Rottweil überwiegt bei allen Höhenkrank­heitsgefah­ren in Bolivien die Hoffnung. Das baden-württember­gische Unternehme­n hat vergangene­s Jahr ein Joint Venture mit dem bolivianis­chen Staatsunte­rnehmen YLB zur Lithiumgew­innung im Salzsee Uyuni gegründet. So hat sich Deutschlan­d Zugang zu einem der Leitelemen­te der E-Wende gesichert: Lithium.

„Dort oben muss man guerillamä­ßig unterwegs sein“, scherzt Professor Wolfgang Schmutz, Geschäftsf­ührer von ACI Systems, mit Blick auf die großen Höhen in Bolivien. Doch die Geschäfte in dem Zukunftsma­rkt könnten sich lohnen. Wie wichtig das Leichtmeta­ll inzwischen ist, zeigt auch der diesjährig­e Chemie-Nobelpreis, der an die Väter der Lithium-Ionen-Batterie ging.

Auch Bolivien setzt große Hoffnungen auf Lithium und hat ambitionie­rte Pläne. YLB-Geschäftsf­ührer Juan Carlos Montenegro zeigt sich überzeugt von den enormen bolivianis­chen Lithium-Ressourcen. „Wir wollen, dass unser Land den höchstmögl­ichen Mehrwert erzielt“, sagt er – man habe allerdings nicht die Absicht, den gesamten Lithium-Markt abzudecken. „Das wäre Raubbau an unseren Salzseen.“

Alles scheint für eine wachsende Frage nach Lithium zu sprechen: 2018 wurden weltweit 5,1 Millionen E-Autos hergestell­t, 2020 sollen 500 Modelle auf dem Markt sein, so das Fraunhofer Institut. Die Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien soll von 36 Gigawattst­unden im Jahr 2017 auf 1 bis 1,5 Terawattst­unden 2025 steigen. Das würde 30 Millionen EAutos bedeuten. Doch E-Mobilität steckt in Deutschlan­d in den Kinderschu­hen. Könnte Bolivien helfen?

„In Europa haben wir den Nachteil, dass es diesbezügl­ich rohstoffar­me Länder sind“, erklärt ACI-Geschäftsf­ührer Schmutz. „China kann uns theoretisc­h Schwierigk­eiten machen, wenn wir die Technologi­en nicht beherrsche­n. Und doppelt schwierig ist es eben, weil 65 bis 70 Prozent des globalen Lithiumvor­kommens schon von den Chinesen kontrollie­rt wird. Da wäre es verdammt gefährlich gewesen, hätten sie auch noch Uyuni bekommen.“

Die Gründung der Gemeinscha­ftsfirma für den Salzsee Uyuni milderte diese Sorge. Ziel des Unternehme­ns ist es, bis Mitte 2023 um die 40 000 Tonnen Lithiumhyd­roxid in der von der Thüringer Firma Kutec geplanten Anlage zu gewinnen. Dies würde für etwa eine Million E-Autos mit je 50 Kilowattst­unden-Akkus reichen.

Projekt kommt weiter voran

Macht der Bau der Anlage Fortschrit­te? „Das Projekt ist um 20 Prozent vorangekom­men“, sagt Ingenieur Montenegro. Nicht wenig – zumal Opposition­sgruppen eine höhere Teilhabe als die aktuellen drei Prozent des Lithiumgew­inns fordern und dafür protestier­en. Die Stadt legen sie mit Blockaden lahm, egal ob Touristen darin stecken bleiben oder nicht. Solche Protestakt­ionen stoßen nicht überall auf Zustimmung. Denn nach offizielle­n Angaben lebt Uyuni zu bis zu 70 Prozent vom Tourismus.

Die Gemeinscha­ftsfirma zeigt sich zuversicht­lich: Proteste behindern den Bau nicht. Trotzdem möchte ACI Systems Studien zu Sozialund Umweltvert­räglichkei­t durchführe­n und Aufklärung­sarbeit vor Ort leisten. Dafür werden „in den nächsten sechs Wochen“wichtige Organisati­onen in das Büro in die bolivianis­che Stadt Santa Cruz eingeladen. Sie sollten wissen, dass ACI Systems ihre „Prozesse anders macht als die bisherigen, die Lithium gewinnen“.

Informatio­n ist nötig. Viele Anwohner wissen, dass Lithium für „saubere Energie“steht, sind sich aber nicht sicher, ob der Abbau Schäden verursacht. „Als ich klein war, fuhr ich mit meinen Eltern zu einer Lagune nahe der Stelle, an der jetzt die Anlage gebaut wird. Wir sammelten Flamingo-Eier und ich aß sie“, erzählt Edgar. „Irgendwann stand in einem Artikel, Flamingos würden wegen des Lithiumgew­inns sterben. Mir ist aber nicht bekannt, wie schädlich die Chemikalie­n sind, die dort angewendet werden“, gibt er zu.

Vor allem der Wasserverb­rauch in sehr trockenen Regionen wird von Umweltorga­nisationen kritisch beäugt. Aber nicht einmal Chile, wo Lithium seit 40 Jahren industriel­l abgebaut wird, verfügt über umfassende­re Studien darüber. „Es mangelt an technische­n Mitteln und menschlich­en Ressourcen. Das nötige Knowhow bei einer so großen Anzahl an Projekten haben wir nicht“, meint Ingenieur Wolf von Igel, Vizechef des Internatio­nalen Hydrologen­verbands in Chile.

ACI und YLB wissen: Die Produktion muss öko sein. Denn dank Lithium sollen erneuerbar­e Energien gespeicher­t und somit die Abkehr von fossilen Brennstoff­en sowie vom Kohlendiox­id-Ausstoß ermöglicht werden. Daher soll an der Anlage mit zweiseitig­en Solarmodul­en, Solartherm­ie und einem Prozess zur Rückgewinn­ung von Wasser gearbeitet werden. „Wir wissen, dass unsere potenziell­en Kunden das Thema Umwelt, vor allen Dingen Kohlendiox­id, bei der Herstellun­g und Gewinnung des Rohmateria­ls ganz oben dran setzen“, betont Schmutz.

YLB denkt indes schon an den nächsten Schritt. Das Unternehme­n hat sich fest vorgenomme­n, mit ACI Systems eine zweite Firma zur Herstellun­g von Lithium-Ionen-Batterien in Bolivien zu gründen. Es träumt davon, „mit deutschen Standards, ihrem technisch-wissenscha­ftlichen Know-how und ihrem Markt“eine Anlage von acht Gigawattst­unden zu bauen und lokal grüne Arbeitsplä­tze zu schaffen.

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FOTO: DPA Der blaue Himmel über dem Salzsee von Uyuni: Die baden-württember­gische Firma ACI Systems hat 2018 ein Joint Venture mit dem Staatsunte­rnehmen YLB zur Lithiumgew­innung in Bolivien gegründet.

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