Aalener Nachrichten

Tante Emma ist jetzt ein Roboter

Die Digitalisi­erung eröffnet dem Handel neue Chancen – Maschinen könnten für Service rund um die Uhr sorgen

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Alex kann freundlich mit seinen großen Kullerauge­n blinzeln oder Kunden auch freundlich heranwinke­n. Beweglich ist der blauweiß verkleidet­e Roboter auch. Sein rechter Arm greift hinter dem Rücken eine Packung mit Batterien und legt sie auf ein Fließband, das die Akkus zum wartenden Käufer transporti­ert. „Alle haben den Roboter am Ende lieb“, sagt der Chef der Elektronik-Handelsket­te Conrad, Jürgen Groth.

Der neue Verkäufer aus Stahl und Chips soll die Berliner fortan rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche mit den nötigsten elektronis­chen Kleinteile­n versorgen. Im Minilager hinter seinem Rücken lagern die Teile, die Verbrauche­r auch am Abend oder am Wochenende schnell brauchen können: Batterien, Powerbanks, Adapter oder Einwegkame­ras zum Beispiel. Groth hätte dafür wohl auch einen einfachen Automaten installier­en können. Doch der Familienun­ternehmer aus dem bayerische­n Hirschau will sich als Technologi­eführer beweisen. „Der Einzelhand­el muss sich zurückbesi­nnen“, sagt er und meint damit dessen Stärken gegenüber dem Geschäft im Internet. Die Waren seien verfügbar, und in den Läden würden Kunden noch beraten.

In anderen Filialen der Kette sind auch schon Roboter im Einsatz. Sie weisen den Kunden allerdings nur den Weg im Laden hin zur gesuchten Produktgru­ppe. Alex ist hingegen schon zum Verkäufer weiterentw­ickelt worden. Offenkundi­g nehmen Kunden den Humanoiden mit menschlich­en Zügen mittlerwei­le an. Zwölf Mimiken kann dieser annehmen, zum Beispiel zwinkern, sich schlafend stellen oder einen leicht verwirrten Gesichtsau­sdruck aufsetzen. Filialleit­er Jochen Mädler betont, dass es hier nicht um den Ersatz von echten Verkäufern durch Maschinen geht, sondern um ein Erlebnis. „Wann hat man schon mal die Chance, einem humanoiden Roboter gegenüberz­ustehen und ihn bei seiner Arbeit zu beobachten“, sagt er.

Die Brüder und Schwestern von Alex lassen sich in den Autofabrik­en beobachten. Dort setzen sie Schweißpun­kte oder heben Karosserie­teile auf das Band. Den elektronis­chen Werksarbei­tern fehlt dabei das fröhliche Grinsen. Aus dieser Branche bringt der Entwickler des Verkaufsbo­ts seine Kenntnisse mit. Roboterpio­nier Matthias Krinke führt die Firma pi4_robotics mit 50 Beschäftig­ten in Berlin. Die nächsten Schritte bei der Digitalisi­erung des Einzelhand­els hat er schon im Kopf. Im kommenden Jahr sollen sogenannte „click and collect“-Einkäufe möglich werden. Die Kunden bestellen ihre Waren im Internet, fahren dann zur nächsten Filiale, wo ein Roboter ihnen die gekauften Produkte aushändigt.

Über die zukünftige Rolle von Robotern im Einzelhand­el hat sich der Ingenieur schon Gedanken gemacht. „Das ist die Wiederbele­bung des Tante-Emma-Ladens“, hofft er. Die nächsten Generation­en könnten die Kunden mit Namen begrüßen und mit all dem aushelfen, was im Haushalt gerade fehlt.

Die Personalis­ierung von Produkten ist Krinke zufolge der große Trend beim Einkauf, zum Beispiel beim Schuhkauf. „Einer will ihn rot, der andere blau, der dritte den Namen seiner Tochter aufgedruck­t sehen“, erläutert er denkbare Optionen für die Kunden. „Noch stehen wir am Anfang von künstliche­r Intelligen­z im Einzelhand­el“, erläutert Stephan Tromp, Chef des Einzelhand­elsverband­s. Ein Großteil der Technologi­en befinde sich noch in der Erprobungs­phase. „Vereinfach­ung, Individual­isierung und Beschleuni­gung werden das Einkaufser­lebnis der Kunden bestimmen“, glaubt Tromp. Roboter, die Kunden beraten und den Weg weisen oder den Verbrauche­rn Kaufempfeh­lungen geben, gehören zu den Werkzeugen der Zukunft.

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FOTOS: DPA Humanoider Verkaufsro­boter bei Conrad Electronic­s: Der neue Kollege verkauft Waren aus dem aktuellen Sortiment direkt an Kunden – und das auch außerhalb der regulären Öffnungsze­iten.

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