Weniger Wachstum
Bundesregierung senkt Prognose für 2020
FRANKFURT - Nun hat auch die Bundesregierung ihre Konjunkturprognose für dieses Jahr gesenkt – 0,5 Prozent Wachstum erwartet sie für dieses, 1,0 Prozent für das kommende Jahr. Im Frühjahr war sie noch von einem Wachstum von 1,8 Prozent für das laufende Jahr und 1,5 Prozent für 2020 ausgegangen. Der wesentliche Grund: die Handelskonflikte und dadurch das Abflauen des Welthandels. Trotz der gedämpften Aussichten rechnet Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier aber nicht mit einer Konjunkturkrise.
Doch die deutsche Wirtschaft befinde sich im Augenblick in einer technischen Rezession, sagt Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Denn in den vergangenen beiden Quartalen ist das Bruttoinlandsprodukt geschrumpft. Das liegt vor allem an der Industrie, und in diesem Bereich dürfte sich die Lage nicht so schnell wieder bessern. Denn auch im August schrumpfte der Auftragsbestand saison- und kalenderbereinigt um 0,3 Prozent gegenüber dem Juli. Die Unternehmen arbeiten also ihre Aufträge ab, doch neue Bestellungen gehen zurück – im August etwa um 0,6 Prozent gegenüber dem Vormonat. „Die deutsche Industrie ist unter Druck“, sagte auch David Kohl, Chefvolkswirt Deutschland des Bankhauses Julius Bär, im Deutschlandfunk. Der globale Handel ist eingebrochen, das bekommt die exportlastige deutsche Wirtschaft zu spüren. Allerdings hofft die Bundesregierung, dass im internationalen Handel die Talsohle bald erreicht sei. Die jüngsten Stimmungsindikatoren gäben allerdings keine Hinweise auf eine rasche Konjunkturerholung, meint Ulf Krauss von der Helaba.
Ein Hoffnungszeichen gibt es immerhin durch die Einigung zwischen EU und Großbritannien auf einen Austrittsvertrag. Sollte der dann auch das britische Parlament passieren, stünden die Zeichen gut, dass Wirtschaft und Kapitalmärkte auf beiden Seiten des Ärmelkanals sich auf die neue Lage einstellen könnten. An den Kapitalmärkten seien wegen der langen Vorbereitungen Ausschläge nicht mehr zu erwarten, glaubt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Während an dieser Front offenbar Ruhe einkehrt, droht neues Ungemach bei den Handelskonflikten. Die Teileinigung der USA mit China entspannt zwar die Lage für die Exportwirtschaft auch in Deutschland etwas. Doch nun drohen Zölle der USA gegen die EU: Das sind zum einen Gebühren auf Käse, Wein oder Whisky, die die amerikanische Regierung verhängen möchte, weil die Welthandelsorganisation WTO die Beihilfen für den europäischen Flugzeugbauer Airbus für illegal erklärt hat und Zölle in diesem Fall ausdrücklich genehmigt hat.
Privater Konsum ist weiter stabil
Zölle würden dann die Autoindustrie in Deutschland besonders stark treffen. Noch bildet der private Konsum ein Gegengewicht zum schwächelnden Export, auch der Arbeitsmarkt ist weitgehend stabil. „Da ist der kritische Punkt“, sagt auch Ökonom Kohl. „Wenn die Autoindustrie nochmal einen Dämpfer erhält, wie stark wird das dann den Arbeitsmarkt und den Konsum beeinflussen?“Zusätzliche Zölle kämen zu einem schlechten Zeitpunkt und könnten das Pendel in die falsche Richtung ausschlagen lassen. Zumindest hatten die Unternehmen in der vergangenen Schwächephase ihre Stammbelegschaft gehalten aus Sorge, dass sie im Aufschwung dann nicht genügend Fachkräfte finden würden. „Aber diese Rechnung geht nur auf, wenn die Unternehmen eine zügige Erholung erwarten“, erklärt Jens-Oliver Niklasch von der LBBW.