Transparenz bei Kolonialkunst gefordert
Politik und Wissenschaft wollen Einsicht in Inventare der Museen
BERLIN (dpa) - Unzählige Kolonialobjekte sind fester Bestandteil in deutschen Sammlungen. Politik und Museen öffnen sich für Rückgaben. Doch Wissenschaftlern geht das nicht schnell genug. Die Rückgabe von Kolonialobjekten aus deutschen Sammlungen muss aus Sicht internationaler Wissenschaftler durch eine rasche Öffnung der Museumsinventare beschleunigt werden. Dafür werde „unbeschränkter und unkontrollierter Zugang“zu den Bestandsverzeichnissen gefordert, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten Appell an die Kulturminister von Bund und Ländern.
Vonseiten der Politik wurden direkte Gespräche angeboten. Die Initiatoren des Appells sollten in die Arbeitsgemeinschaft von Bund und Ländern eingeladen werden, die sich mit dem Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten befasse, sagte der Vorsitzende der Kulturministerkonferenz, Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD), der dpa am Donnerstag. „Dann kann im direkten Gespräch geklärt werden, wie wir möglichst gut und schnell vorankommen.“Dies gehe am besten, wenn Politik, Wissenschaft, Museen und Zivilgesellschaft in Deutschland und den Herkunftsgesellschaften zusammenarbeiteten.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verwies auf „große Anstrengungen“, Bestände offen zu legen und Transparenz zu schaffen. „Die Realität der Museen ist längst von intensiver Zusammenarbeit geprägt“, hieß es in einer Mitteilung der von Bund und Ländern getragenen Stiftung mit rund zwei Dutzend bedeutenden Kunstsammlungen. Die Debatte um Objektbiografien afrikanischer Bestände sei kein neues Thema. Seit Jahren gehöre es zum Alltag der Kuratoren des Ethnologischen Museums, alle Anfragen zu den Sammlungen zu beantworten und umfassend Auskunft zu geben.
Die Zahl der möglicherweise in kolonialen Zusammenhängen nach Deutschland gelangten Stücke ist immens. Allein beim Ethnologischen Museum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz geht es um eine halbe Million Objekte.
Zentrale Anlaufstelle
Der Appell der Wissenschaftler ist unterzeichnet etwa von der in Berlin lehrenden Kunstwissenscahftlerin Bénédicte Savoy, dem Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer und dem senegalesischen Ökonomen Felwine Sarr. Savoy und Sarr hatten Ende 2018 in einem aufsehenerregenden Bericht für den französischen Präsidenten Emmanuel Macron empfohlen, aus der Kolonialzeit stammende Kunstwerke an die Herkunftsländer in Afrika zurückzugeben.
Die Wissenschaftler bezeichneten es als „Skandal, dass es trotz der anhaltenden Debatte noch immer keinen freien Zugang zu den Bestandslisten der öffentlichen Museen in Deutschland gibt“. Kenntnis der Bestände sei die Grundlage für jeden Dialog. „Um Transparenz zu schaffen, sind keine langwierige Datenaufbereitung und abgeschlossene Digitalisierungsprojekte erforderlich.“Die Arbeit an den Inventaren werde nie fertig sein. „Es gibt keinen Grund zu warten.“
Zimmerer sagte der dpa, das Bestreben sei auffällig, die Kontrolle über die Aufarbeitung zu behalten, etwa über die Kontrolle des Zugangs zu den Objekten und Dokumenten. „Das steht einer wahren postkolonialen Aufarbeitung im Weg.“Notwendig sei eine „umfassende und radikale Transparenz“.
Am Mittwoch hatten Bund und Länder die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle beschlossen, um die Rückgabe von Kolonialobjekten zu vereinfachen. Menschen und Institutionen aus Herkunftsstaaten und betroffenen Gesellschaften könnten sich dort über Bestände von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten in Deutschland informieren. „Die Anlaufstelle soll dabei helfen, dass wir mehr Klarheit und Transparenz bekommen für diejenigen, die auf der Suche nach Auskünften über Objekte in Deutschland sind“, sagte der Vorsitzende der im vergangenen Jahr gegründeten Kulturministerkonferenz, Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD), nach der Sitzung.