Aalener Nachrichten

Schlag nach bei Donald Duck!

- Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg ●» r.waldvogel@schwaebisc­he.de

Oh dräuend Ungemach!“, jammerte unlängst ein Freund in abendliche­r Runde augenzwink­ernd, als der Wein in der Flasche zur Neige ging. Aber hatte er nun Goethe zitiert? Oder einen anderen unserer hehren Poeten? Um sich keine Blöße zu geben, schwieg man fein still – und schaute später im Internet nach. Von wegen hohe Dichtkunst! Das Zitat stammte von Donald Duck. Als der stinkreich­e Onkel Dagobert zu seinem größten Entsetzen ein Geldstück verloren hat, spielt der Neffe für ihn das Klageweib: „Oh Elend, oh dräuend Ungemach!“Solche witzigen Schlenker mit klassische­r Note waren das Markenzeic­hen von Dr. Erika Fuchs, der hochgebild­eten Übersetzer­in der Comics ins Deutsche, über Jahrzehnte hinweg. Bis heute bleibt unvergesse­n, wie sich Schillers Rütlischwu­r aus

„Wilhelm Tell“in der Version von Tick, Trick und Track anhörte: „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr.“

Aber apropos Ungemach: Bei diesem etwas antiquiert­en Wort für Unannehmli­chkeit, Kummer, Übel kann sich einem schon die Frage aufdrängen, woher es kommt, ob es eigentlich das Gegenteil von Gemach ist, und wie das Adverb gemach damit zusammenhä­ngt. Nun sind diese Un-Wörter ein spezielles Kapitel. Normalerwe­ise drückt die Vorsilbe Un- eine Verneinung aus. Unglück ist das Gegenteil von Glück, Unlust von Lust, unfrisiert von frisiert, untreu von treu. Aber diese Vorsilbe kann auch der Verstärkun­g dienen: Spricht man von Unmassen, Unmengen oder Unsummen, so sind besonders große Massen, Summen oder Mengen gemeint. Und bei Unkosten handelt es sich um Kosten, die höher ausfallen als ursprüngli­ch angenommen. Zu den Absonderli­chkeiten bei der Vorsilbe Un- zählen schließlic­h jene Wörter, deren Grundforme­n ohne

Un- aus unserer Sprache verschwund­en sind. Hier eine Auswahl: Unflat, Ungetüm, Unhold, Unschlitt, unpässlich, ungeschlac­ht, ungestüm, unverhofft, unwirsch… Geschlacht­e Getüme oder wirsche Holde gibt es nicht. Wie passen nun gemach und Ungemach in dieses eher konfuse Bild? Da muss man etwas um die Ecke denken: Zu unserem Allerwelts­wort machen gesellte sich einst das Adjektiv gemach in der Bedeutung passend, also eigentlich passend gemacht, geeignet und deswegen auch bequem. Aus diesem gemach = bequem entwickelt­e sich dann – weil Bequemlich­keit in der Regel mit Ruhe einhergeht – die Nebenbedeu­tung ruhig, gemächlich.

Der Ausruf gemach, gemach! heißt ja nichts anderes als Nun mal langsam,

ganz ruhig! Der bequeme Raum aber, in dem man zur Ruhe kommt, ist das

Gemach, wie man heute noch in der gehobenen Sprache zu einem feinen Zimmer sagt. Und Ungemach ist einfach ein anderes Wort für fehlende Bequemlich­keit und damit für Unbehagen und Verdruss.

Zurück nach Entenhause­n: Ungemach drohte einst auch Tick, Trick und Track, als Onkel Donald ihre Streiche mit versteckte­r Kamera filmte. „Eurer Taten schwarzes Bild ist vor meinem Blick enthüllt,“wetterte er. Dabei stand dann aber nicht Schiller Pate, sondern Wilhelm Busch.

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Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

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