Aalener Nachrichten

Umstritten­er Marathon am Ort der Winterspie­le

Der Plan, den Olympiamar­athon von Tokio nach Sapporo auszulager­n, bewegt die Szene

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TOKIO (SID) - Die Sportler und Trainer überrascht, die Organisato­ren überrumpel­t: Die geplante Verlegung der olympische­n Marathon- und Geherwettb­ewerbe von Tokio ins über 800 Kilometer entfernte Sapporo, wo 1972 die Winterspie­le stattfande­n, hat bei den Betroffene­n für gehörig Wirbel gesorgt. Während die deutschen Geher mit gemischten Gefühlen auf die Ankündigun­g reagierten, müssen sich die Organisato­ren neuneinhal­b Monate vor den Sommerspie­len wohl oder übel mit dem neuen Vorschlag anfreunden.

„Ich verstehe schon die Gründe, aber ich persönlich finde es nicht so gut. Ich hätte es besser gefunden, wenn man eine Lösung in Tokio gefunden hätte. Etwa, dass man wie bei der WM in Doha in der Nacht startet“, sagte Geher Carl Dohmann. Bei den Titelkämpf­en der Leichtathl­eten in Katar hatte der 29-Jährige die umstritten­e nächtliche Hitzeschla­cht über 50 km am eigenen Leib erlebt – und mit Platz sieben überzeugt.

Doch nach den teils erschütter­nden Szenen der Rennen in Katar entschied sich das Internatio­nale Olympische Komitee IOC dazu, sich neu zu orientiere­n. In Sapporo soll es für die Sportler erträglich­er sein – im Vergleich zu den befürchtet­en Extrembedi­ngungen in Tokio. Nachteil: Marathonlä­ufer und Geher sind vom übrigen olympische­n Geschehen abgekoppel­t. Ein Schicksal, mit dem sonst Reiter, Segler oder Fußballer zurechtkom­men müssen. „Wir sind 800 Kilometer weg von den Olympische­n Spielen, es fehlt einfach das Flair“, sagte Dohmann: „Der Kontakt zu den anderen Sportlern geht verloren.“

Immerhin hätten seine Bekannten noch nicht Flüge und Hotels gebucht – im Gegensatz zum kanadische­n Olympiavie­rten und WM-Dritten Evan Dunfee. Der fragte bei Twitter süffisant, ob der Leichtathl­etik-Weltverban­d IAAF und das IOC für die zusätzlich­en Kosten seiner Familie und Freunde aufkommen würden. Seit drei Jahren habe er sich zudem mit seinem Team auf die Hitze in Tokio vorbereite­t – der neue Plan sei ein „Tritt in die Eier“. Es sei nun schwierige­r für ihn, eine Medaille zu gewinnen.

Ziel: die beste Leistung abrufen

Bundestrai­ner Ronald Weigel begrüßte den Plan. „Im Grunde genommen, ist es eine gute Entscheidu­ng, die für die Gesundheit der Athleten positiv zu bewerten ist“, sagte Weigel. Der Weltmeiste­r von 1983 betonte aber auch, dass man sich auch nach einer möglichen Verlegung auf „extreme Bedingunge­n“einstellen müsse. „Es ist sicher ein bisschen kühler, aber man darf nicht blauäugig sein und denken, dass man keine spezielle Vorbereitu­ng machen muss“, sagte er.

Die Tokio-Organisato­ren erklärten, dass sie den Plan „akzeptiere­n“würden. Die endgültige Entscheidu­ng soll auf einer Sondersitz­ung am 30. Oktober und 1. November fallen. „Das IOC und der Leichtathl­etik-Weltverban­d unterstütz­en den Plan. Können wir da als Organisato­ren ,Nein‘ sagen?“, fragte OK-Chef Yoshiro Mori allerdings vielsagend.

John Coates, Vorsitzend­er der zuständige­n IOC-Kommission, verteidigt­e die Vorgehensw­eise. „Wir wollen, dass die Sportler jedwede Möglichkei­t haben, ihre beste Leistung abzurufen. Wir wissen jetzt, dass dies in der Hitze in Tokio nicht möglich ist“, sagte Coates der japanische­n Zeitung „Kyodo News“.

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