Aalener Nachrichten

Özil bricht sein Schweigen – und teilt aus

Rassismus in Deutschlan­d, sagt er, sei in der „Mitte der Gesellscha­ft“angekommen

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LONDON (SID/dpa) - Mit seinem Erdogan-Foto und einem dreiteilig­en Rundumschl­ag zum Abschied hat Mesut Özil 2018 ein Erdbeben im deutschen Fußball ausgelöst. 15 Monate danach erneuert der Weltmeiste­r von 2014 seine Vorwürfe gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und warnt zudem vor beängstige­nden politische­n Tendenzen.

„Es gibt große Probleme in Deutschlan­d“, sagte Özil dem Online-Sportmagaz­in The Athletic: „Man muss sich nur anschauen, was vergangene Woche in Halle geschehen ist, ein weiterer antisemiti­scher Anschlag. Leider ist Rassismus nicht mehr allein Sache der Rechten. Er hat sich in die Mitte der Gesellscha­ft geschoben.“Er selbst habe dies im Zuge der Affäre um ein Foto mit dem türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan vor und während der WM 2018 zu spüren bekommen. „Rassismus gab es immer, aber die Menschen haben diese Situation als Vorwand genutzt, um ihn auch rauszulass­en“, sagte der 31-Jährige. Er habe sich „nicht mehr respektier­t und schutzlos“gefühlt: „Was folgte, hat den Rassismus für jedermann sichtbar gemacht.“

Özil bekräftigt­e den bereits in seinem fulminante­n Rücktritts­schreiben erhobenen Vorwurf gegen den DFB. „Ich wurde rassistisc­h angegangen, selbst von Politikern und bekannten Persönlich­keiten. Aber niemand von der Nationalma­nnschaft ist gekommen und hat gesagt: Hey, stopp! Das ist unser Spieler. Das geht so nicht.“Alle seien still gewesen: „Sie haben es geschehen lassen.“

Özil verteidigt­e seine Entscheidu­ng für das gemeinsame Foto mit Erdogan. „Er ist der Präsident der Türkei, und ich würde der Person im Amt immer meinen Respekt erweisen, wer es auch ist“, sagte der Profi vom FC Arsenal. Käme die Bundeskanz­lerin Angela Merkel nach London und wolle ihn treffen, „würde ich das selbstvers­tändlich auch tun“.

Özil hat „seine Hand gereicht“

Er sei im Anschluss aufs Übelste beschimpft worden, Geschäftsp­artner hätten sich abgewandt. Selbst in seiner Geburtssta­dt Gelsenkirc­hen sei ein Besuch an seiner alten Schule mit Verweis auf die zunehmende Stärke der AfD abgesagt worden. „Ich habe ihnen meine Hand gereicht, aber sie haben das nicht erwidert“, sagt er.

Verpackt in mehreren Hundert Wörtern scheint die wichtigste Botschaft: Özil ist „sehr glücklich“mit seiner Entscheidu­ng, aus der Nationalma­nnschaft zurückzutr­eten: „Mit etwas Abstand weiß ich, dass es richtig war.“Nach neun Jahren im DFBTrikot mit vielen guten Spielen und dem WM-Titel sei es eine schwierige Phase für ihn gewesen. „Ich sage nicht, dass die Leute mich lieben müssen“, betonte er: „Aber sie sollten dafür, was ich für Deutschlan­d geleistet habe, Respekt zeigen.“

Mehr Respekt wünscht sich Özil auch in England. Der Mittelfeld­spieler war zuletzt bei Arsenals Teammanage­r Unai Emery häufig nur Ersatz. Er beklagte, dass Fans und Medien ihn nach Niederlage­n stets kritisiere­n. Dennoch gebe es keinen Grund zu fliehen. „Ich besitze einen Vertrag bis 2021, und bis dann werde ich auch bleiben“, betonte Özil.

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FOTO: DPA Mesut Özil (M.) mit seinem Trainer Unai Emery.

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