„Kein verlässliches Beförderungsmittel“
CDU-Abgeordnete kritisieren Go Ahead und bringen Sonderkündigung wegen Schlechtleistung ins Spiel
ELLWANGEN (an) - Die CDU-Abgeordneten Roderich Kiesewetter und Winfried Mack kritisieren das Eisenbahnverkehrsunternehmen Go Ahead und bringen sogar eine mögliche Sonderkündigung wegen schlechter Leistungen des Anbieters ins Spiel.
ELLWANGEN - Kommt eine Schülerin zu spät in den Unterricht. „In meinem Zug gingen am Ellwanger Bahnhof die Türen nicht auf“,sagt sie. „Und dann fuhr der Zug einfach weiter.“An alle Lehrer, die diese Entschuldigung am Donnerstagmorgen vielleicht nicht glauben wollten: Sie ist nicht erfunden. Genauso wenig wie all die anderen Geschichten, die Fahrgäste von ihren Abenteuern mit Go Ahead erzählen. Das ruft jetzt auch die CDU-Abgeordneten Roderich Kiesewetter und Winfried Mack auf den Plan.
„Ällbott ist was anderes“, schimpft eine Frau, als sie zusammen mit der Schülerin und allen anderen Fahrgästen, die in Ellwangen den Bahnsteig langsam entschwinden sahen, endlich in Crailsheim steht und auf den Zug zurück in die gute Stadt wartet. Meistens handle es sich um Verspätungen: „Erst sind es fünf Minuten, dann zehn, dann fünfzehn, dann fällt der Zug aus und man muss eine Stunde warten, bis der nächste kommt.“Da sind verschlossene Türen doch wenigstens mal was anderes. Wie es dazu kommen konnte, weiß auch der Zugführer nicht so genau. Er hat sein schmuckes Fahrzeug am Crailsheimer Bahnhof abgestellt, ist aus seinem Führerhaus geklettert und steht nun bei den Fahrgästen. Seine Technik habe ihm in Ellwangen angezeigt, dass alle Türen entriegelt und geöffnet seien, erklärt er. Ob er sich nicht gewundert habe, warum dann kein Mensch ausgestiegen sei, wird er gefragt. Die Antwort bleibt offen.
Erstklässler aus Rindelbach sind enttäuscht
Dafür fallen später den Kollegen, die in Ellwanger Büros auf die zu spät Kommenden warten mussten, weitere Geschichten ein. Zum Beispiel die von den Erst- und Zweitklässlern aus Rindelbach, die Mitte Oktober zusammen einen Ausflug nach Aalen machen wollten. Die Buben und Mädchen aus vier Klassen und ihre vier Lehrer waren morgens voller Vorfreude die dreieinhalb Kilometer von der Rindelbacher Grundschule bis zum Ellwanger Bahnhof marschiert, erzählt Elternbeirätin Bianka Sinn. „Ich habe sie noch laufen sehen.“Mit dem Zug wollten die Schüler nach Aalen, um im Torhaus ein Theaterstück anzusehen. Dann erfuhr die Mutter: „Die waren gar nicht dort.“Ihr Zug war ersatzlos gestrichen worden, auf den nächsten zu warten hätte zu lange gedauert. Die Lehrer machten die Enttäuschung mit einem Besuch in der Ellwanger Bücherei und auf einem Spielplatz wett. Trotzdem. „Aber für den Rückweg vom Bahnhof zur Schule war bereits ein Bus bestellt gewesen, und natürlich waren die Kinder auch enttäuscht“, erinnert sich Bianka Sinn. Ihr Sohn jedenfalls fand einen passenden Kommentar: „Das ist echt doof.“
Mack und Kiesewetter: „Zustände besorgniserregend“
Die direkt gewählten CDU-Abgeordneten des Wahlkreises sehen das sinngemäß genauso, wenn sie es auch anders ausdrücken. „Die Zustände auf der Rems- und Oberen Jagstbahn sind besorgniserregend. Die Bahn ist hier im Moment kein verlässliches Beförderungsmittel“, schreiben Roderich Kiesewetter und Winfried Mack just am Donnerstagmorgen in einer Pressemitteilung und fordern den verantwortlichen Verkehrsminister Winfried Hermann auf, gegenüber Go Ahead die Fahrgäste und ihre Rechte zu stärken. Notfalls müsse eine Sonderkündigung
wegen Schlechtleistung ausgesprochen und ein neuer Betreiber gefunden werden.
Öffentliche Bürgerversammlung?
„Wir haben uns sehr gefreut, dass mit den erhöhten Mitteln des Bundes der zehn Jahre alte Plan umgesetzt wurde, einen Halbstundentakt und zusätzlich einen IRE-Verkehr im Zweistundentakt zwischen Stuttgart und Aalen einzurichten“, so die beiden Abgeordneten in ihrer Mitteilung. Dieser IRE müsse bis Crailsheim weitergeführt werden. „Aber wenn die vom Land bestellten und vom Bund subventionierten Züge nicht zuverlässig fahren, steigen die Bürgerinnen und Bürger notgedrungen wieder auf das Auto um. Das ist keine glaubwürdige Politik.“Kiesewetter und Mack laden deshalb Verkehrsminister Winfried Hermann zu einer öffentlichen Bürgerversammlung in den Ostalbkreis ein, damit er Rede und Antwort stehen könne.
Insbesondere fordern die Abgeordneten den Minister auf, ein bürgernahes Beschwerdemanagement zu Go Ahead einzurichten und seine Ankündigung umzusetzen, von Go
Ahead ein Entschädigungsmanagement zu verlangen. Die Strafzahlungen, die Go Ahead an das Land für die Schlechtleistung zahlen müsse, müssten zusätzlich in der Region investiert werden.
Die Klagen der Fahrgäste seien erheblich und nähmen ständig zu. „Laufend fallen Züge wegen Personalmangels einfach aus. Andere Züge sind zu kurz und völlig überfüllt“, so Kiesewetter und Mack. Seitens des Verkehrsministeriums in Stuttgart sei – trotz Protest mehrerer Abgeordneter – mit Stehplätzen kalkuliert worden, ohne dass in den Zügen Haltegriffe angebracht wurden, und vieles mehr.
Go Ahead spricht von positivem Trend
Von Go Ahead meldet sich Pressesprecher Erik Bethkenhagen zu Wort. „Dass mal etwas schiefgehen kann, ok“, sagt er am Telefon. Er bestätigt auch, dass seine Verkehrsgesellschaft im Juni bei ihrem Start im Südwesten Schwierigkeiten gehabt habe. „Nach vier bis fünf Wochen haben wir uns aber gefangen“, so Bethkenhagen. Inzwischen liege die Pünktlichkeit der Züge bei 90 Prozent,
die Ausfallquote unter drei Prozent, was man den wöchentlich im Internetauftritt des Unternehmens veröffentlichten Grafiken zur Betriebsqualität entnehmen könne. „Das ist insgesamt ein sehr positiver Trend.“Ein Blick auf die Grafiken zeigt: In den vergangenen vier Wochen lag die Pünktlichkeit bei rund 80 Prozent.
Hören, was das Ministerium wünscht
Zu den Aufforderungen der Abgeordneten an den Verkehrsminister könne er sich nicht äußern, so Bethkenhagen, jedoch gebe es wöchentlich ein Treffen aller Eisenbahnverkehrsunternehmen in dessen Stuttgarter Dienststelle. Dort würden aktuelle Themen besprochen. Das nächste Treffen sei am Dienstag, 29. Oktober. Was ein Entschädigungsmanagement angehe, so gebe es hier bereits Regularien. Darüber hinaus würde man „gerne erst hören, was das Ministerium wünscht“.
Von verschlossenen Zugtüren wie jetzt am Ellwanger Bahnhof höre er zum ersten Mal, sagte Bethkenhagen zum Schluss. „Oder halt, vor zwei Monaten gab es das schon mal.“