Höhere Löhne in der Pflege
Bundestag stellt Weichen für allgemeinverbindliche Tarifverträge in der Branche – Arbeitgeber skeptisch
BERLIN (epd/dpa) - Zur Bekämpfung des Personalmangels in der Altenpflege hat der Bundestag den Weg frei gemacht für allgemeinverbindliche Tarifverträge in der Altenpflege. Wohlfahrtsverbände begrüßten den Beschluss, Arbeitgeberverbände warnten, Investoren würden abgeschreckt.
In der Altenpflege sind laut Bundesagentur für Arbeit (BA) rund 25 000 Stellen nicht besetzt. Die Mehrheit der Pflegehelferinnen und -helfer und 14 Prozent der ausgebildeten Fachkräfte lagen 2018 mit ihrem Einkommen unter der Niedriglohnschwelle von 2203 Euro brutto im Monat. In der Branche arbeiten rund 1,1 Millionen Menschen, 85 Prozent sind Frauen.
Das Gesetz eröffnet künftig zwei Wege zu höheren Löhnen, entweder über die Pflegekommission oder dadurch, dass das Bundesarbeitsministerium einen Tarifabschluss für allgemeinverbindlich erklärt. Kein Arbeitgeber darf dann unter diesen Tarifen bezahlen. Tarifliche Vereinbarungen über Mindestlöhne haben künftig Vorrang vor den Vorschlägen der Pflegekommission.
Die Diakonie Deutschland und die AWO begrüßten das Gesetz. Diakonie-Vorstand Jörg Kruttschnitt erklärte, damit sei eine wichtige Weiche gestellt worden. Die Politik müsse nun aber auch dafür sorgen, dass die höheren Kosten für die Pflege finanziert würden. Auch die Diakonie in Württemberg reagierte positiv auf das Gesetz. „Beschäftigte in der Altenpflege der Diakonie in Württemberg werden allerdings längst über dem jetzt gesetzlich geregelten Niveau bezahlt“, sagte Dietmar Prexl, Vorsitzender der Kommission für Unternehmensfragen des Werkes, am Freitag in Stuttgart.
Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Pflege, Thomas Greiner, teilte hingegen mit, niemand arbeite für Dumpinglöhne. Der Arbeitsmarkt sei leer gefegt. Wenn nun aber durch einen allgemeinen Tarifvertrag die notwendigen Gewinne abgeschmolzen würden und sich Investitionen nicht mehr lohnten, würden künftig Pflegeplätze fehlen. Auch der bpa-Arbeitgeberverband der kleineren Anbieter warnte, schon heute könnten viele Pflegedienste und Heime keine Menschen mehr aufnehmen.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach sich zwar für höhere Löhne aus, warf der Koalition aber ein unverantwortliches Vorgehen angesichts von Mehrausgaben in Milliardenhöhe vor. „Die berechtigten Lohnsteigerungen zahlen allein die Pflegebedürftigen“, sagte Vorstand Eugen Brysch der dpa. Viele Hilfe brauchende Menschen seien bereits am Limit, aber Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) tue hier vorerst nichts.