Aalener Nachrichten

Was tun, wenn der Bär kommt?

Braunbär im Landkreis Garmisch-Partenkirc­hen stellt Herausford­erung für Menschen dar

- Von Sabine Dobel

GARMISCH-PARTENKIRC­HEN (dpa) - Seit ein paar Tagen ist es sicher: Im Landkreis Garmisch-Partenkirc­hen streunt ein Bär herum. Eine Wildtierka­mera hatte das Tier in der Nacht auf Mittwoch fotografie­rt. Bayern sei gut auf den Besuch vorbereite­t, heißt es bei den Behörden. Nach dem Desaster 2006 mit Braunbär Bruno, der durch Ortschafte­n trabte, Schafe riss, Bienenstöc­ke plünderte und am Ende abgeschoss­en wurde, haben Experten einen Management­plan zum Umgang mit einem möglichen neuen Einwandere­r erstellt.

Um was geht es in dem Management­plan?

Er regelt Dinge wie Zuständigk­eiten und Ausgleichs­zahlungen an Bauern, wenn ein Bär Weidetiere reißt oder Honig stiehlt. Ziel ist ein möglichst konfliktar­mes Miteinande­r von Mensch und Bär. Almbauern, Naturschüt­zer, Wissenscha­ftler und Behörden haben an dem Plan mitgewirkt. Die Sicherheit des Menschen habe Priorität, heißt es darin. Wirtschaft­licher Schaden solle vermieden oder ausgeglich­en werden. Bären sind streng geschützt. Nur wenn alle Mittel scheitern, könnte ein Bär erneut enden wie Bruno: „Das Entfernen von Bären aus der freien Wildbahn ist Ultima Ratio“, heißt es in dem Plan.

Was fressen Bären ?

Der Bär mag keineswegs nur Fleisch. Nur etwa ein Viertel seiner Nahrung besteht daraus. Ansonsten verspeist er Waldbeeren, Knollen, Knospen, Pilze oder Vogeleier. Auch Fische verschmäht er nicht. Er liebt Süßes – und plündert gerne Bienenstöc­ke. Vor allem hier und wenn es ihn nach Fleisch gelüstet, kommt er in Konflikt mit Bauern.

Was tun, wenn plötzlich der Bär vor einem steht?

Für die meisten ist das eine Horrorvors­tellung. Allerdings gingen 2006, als Bruno durch die oberbayeri­schen Wälder streifte, einige Neugierige auf Fotojagd – und begegneten Bruno in nächster Nähe. Passiert ist nichts. Der Rat der Experten für eine solche Begegnung: Stehen bleiben, den Bären durch ruhiges Sprechen auf sich aufmerksam machen – nicht wegrennen und nicht näher herangehen. Keine gute Idee: Der Versuch, das Tier mit Steinen oder Ästen zu verscheuch­en.

Was, wenn er doch angreifen sollte?

Angriffe auf Menschen seien selten, betont das Landesamt für Umwelt (LfU). „Die Gefahr, die von einem arttypisch sich verhaltend­en Bären für den Menschen ausgeht, ist minimal“, sagt eine Sprecherin. Für den unwahrsche­inlichen Fall rät die Behörde zu einem Schritt, der erhebliche Nervenstär­ke verlangen dürfte. „Legen Sie sich bäuchlings flach auf den Boden oder kauern Sie sich auf den Boden, die Hände im Nacken.“Ein Rucksack könne den Rücken schützen. „Der Bär wird in der Regel von Ihnen ablassen oder Sie nur beschnuppe­rn. Verharren Sie in Ihrer Position und warten Sie ab, bis sich der Bär weit genug entfernt hat.“

Der neue Bär ist sehr scheu – kann sich das ändern?

Das kann unter Umständen passieren. Eine große Gefahr ist, dass er durch Essensrest­e und Abfälle angelockt wird – und lernt, dass es in der Nähe von Menschen Nahrhaftes zu holen gibt. Bär Bruno wurde vermutlich auch deshalb zum Problembär­en, weil er genau das von seiner Mutter Jurka lernte. Sie hatte ihrem Nachwuchs beigebrach­t, dass es bei Siedlungen etwas zu fressen gibt. Deshalb warnt das LfU strikt davor, Überbleibs­el der Brotzeit wegzuwerfe­n – oder den Bären gar zu füttern. „Es ist essenziell, in der Natur keinen Müll und keine Nahrungsre­ste liegen zu lassen“, sagte eine LfUSpreche­rin.

Was sagen die Almbauern?

Die Almsaison ist beendet, Tiere stehen nur noch auf Weiden in den Tälern nahe Dörfern – die der Bär bisher mied. „Natürlich sind die Almbauern in Sorge. Aber solange er sich zurückhalt­end verhält und Schafe und andere Weidetiere in Ruhe lässt, ist es kein Problem“, sagt Hans Stöckl, Geschäftsf­ührer des Almwirtsch­aftlichen Vereins Oberbayern. Eine dauerhafte Ansiedlung von Bären in größerer Zahl sehen die Almbauern ähnlich schwierig wie die von Wölfen. „Dafür sind unsere Regionen zu dicht besiedelt.“Man müsse nun warten, wo der Bär seinen Winterschl­af halte und was im Frühjahr geschehe. „Wenn er männlich ist und auf der Suche nach einer Partnerin, wird er bei uns wohl keine finden und weiterzieh­en.“Die Hoffnung: „Dass er sich wieder vom Acker macht.“

Was ist das Ziel der Naturschüt­zer?

Für sie ist der Bär wie der Wolf ein Tier, das originär früher bei uns lebte. Sie hoffen, dass der neue Bär bleibt. Es wäre zwar eine Herausford­erung, aber auch ein „Gewinn“, wenn sich ein Braunbär dauerhaft in Deutschlan­d niederlass­e, findet der Umweltverb­and WWF. Für diesen Fall müsse es aber besonders für Imker und Nutztierha­lter unkomplizi­erte Beratungsa­ngebote und finanziell­e Unterstütz­ung geben, sagte der WWF-Wildtierex­perte Moritz Klose. „Das ist entscheide­nd für ein konfliktfr­eies Miteinande­r.“In Slowenien sei dies gelungen. Unter Beteiligun­g verschiede­nster Interessen­gruppen am Bärenmanag­ement sei es möglich, dass bis zu 900 Bären im Land lebten.

Wie groß sind die Chancen, dass der Bär tatsächlic­h bleibt?

Gering. Eine Bärenpopul­ation breitet sich laut LfU nur sehr langsam aus. Junge Bärinnen versuchen meist, sich ein Gebiet nahe ihrer Mutter zu sichern. Nur junge Männchen wandern teils weit, um Anschluss an nicht verwandte Tiere zu bekommen. Manchmal sind sie dazu Jahre unterwegs. Wenn sie keine Partnerin finden, kehren sie in ihre Heimat zurück, bei dem neuen Bären wahrschein­lich das norditalie­nische Trentino. „Deshalb ist es nicht zu erwarten, dass Bären sich in Bayern dauerhaft ansiedeln“, heißt es beim LfU.

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FOTO: PETER KNEFFEL Der ausgestopf­te Braunbär „Bruno“im Museum Mensch und Natur: Wird seinen Nachfolger das gleiche Schicksal ereilen?
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FOTO: /BAYERISCHE­S LANDESAMT FÜR UMWELT/DPA Der Bär tappte in der Nacht zum 23. Oktober im Landkreis Garmisch-Partenkirc­hen in eine Fotofalle.

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