Wenn nur noch Sarkasmus hilft
Nach der Beinahe-Blamage im Pokal herrscht beim FC Bayern zunehmend Alarmstufe Rot
BOCHUM (SID/fil) - Ein angefressener Trainer Niko Kovac zählte seine Mannschaft an, der frustrierte Kapitän Manuel Neuer stellte die Charakterfrage: Nach der unterirdischen Leistung beim Dusel-Sieg im DFBPokal herrschte beim deutschen Rekordmeister Bayern München Alarmstufe Rot.
„Wenn alle das machen, was der Trainer sagt, dann funktioniert es“, sagte Kovac nach dem ebenso glücklichen wie schmeichelhaften 2:1 (0:1)-Erfolg beim VfL Bochum. Was als Lob für die engagierte Leistung des abstiegsbedrohten Zweitligisten und dessen Trainer Thomas Reis gedacht war, konnte auch als Vorwurf an seine Stars verstanden werden – und könnte Niko Kovac wie so einige eher verunglückte Aussagen der letzten Wochen womöglich um die Ohren fliegen. Zumal Bayerns Trainer nach der nur knapp verhinderten Blamage nachlegte.
„Fehlpass-Festival hat mit Einstellung zu tun“
In der ersten Halbzeit habe man „ein Fehlpassfestival“gesehen, welches „ganz klar mit der Einstellung zu tun“habe. Fehlpässe, so dozierte Kovac, hätten nichts mit Taktik zu tun. Seine Mannschaft habe viel „zu abwartend, zu passiv“gespielt: „Dann kommst du in keinen Zweikampf, dann läufst du der Musik hinterher.“
Von seiner Kritik wollte der Kroate „keinen ausnehmen.“Doch einige Spieler dürfte Kovac bei seinen mit starrer Miene vorgetragenen Worten besonders im Kopf gehabt haben. Corentin Tolisso, Ivan Perisic und lange Zeit auch Thiago boten eine grottenschlechte Leistung. Auch die sonst so zuverlässigen schwäbischen Bayern-Nationalspieler Joshua Kimmich und Serge Gnabry, ursprünglich aus Bösingen bei Rottweil und Stuttgart stammend, standen meist völlig neben sich.
„Das war in der ersten Halbzeit richtig traurig und enttäuschend. Wir sind mit einer Schramme davongekommen, trotzdem müssen wir darüber nachdenken, wie wir uns präsentieren“, sagte Nationaltorhüter Manuel Neuer, der als einziger
Bayer seit Wochen Klartext redet, und nahm seine Mitspieler in die Pflicht: „Wir brauchen nicht über einzelne Spieler, das System oder den Trainer reden. Wir brauchen nicht nach Ausreden suchen, sondern jeder muss bei sich selbst anfangen.“
Für die kommenden Wochen mit den schweren Bundesligaspielen bei
Kovac Ex-Club Eintracht Frankfurt am Samstag (15.30 Uhr/ZDF und Sky) und gegen Vizemeister Borussia Dortmund am Samstag drauf forderte Neuer „eine andere Leistung“und die richtige Einstellung: „Charakterlich war es in der ersten Halbzeit nicht so, wie es sich im Pokal gehört.“
Einmal in Fahrt ließ sich Neuer, bei seiner schonungslosen Analyse auch nicht mehr stoppen. „Schreib einfach FC Bayern drüber. Dann ein leeres Blatt, das beschreibt unsere Leistung am besten“, schlug der 33Jährige einem Journalisten vor.
Hätten Gnabry (83.) und der eingewechselte Thomas Müller (89.) mit ihren späten Treffern das Spiel nach dem Eigentor von Alphonso Davies (36.) nicht gedreht, wäre die Herbstkrise beim Rekordpokalsieger noch viel größer. Doch auch so ist der Status quo äußerst bedenklich.
Verhältnis des Trainers zur Mannschaft scheint gestört
Das Verhältnis zwischen Kovac und dem Team scheint gestört. Dass Kovac immer wieder darauf verweist, dass er als Trainer nicht auf dem Platz stehen würde, dürfte in der Mannschaft ungefähr ähnlich gut ankommen wie unter den Fans des FC Bayern die Aussage des Coaches, dass die Eintracht die besten Fans der Liga habe. Waren es doch in der vergangenen Saison auch die Liebesbekundungen der Bayernfans für den Trainer, die die trotz des Doublegewinns zweifelnden Club-Verantwortlichen überzeugten, Niko Kovac auch weiter das Vertrauen auszusprechen.
Nun ähneln sich die Probleme mit jenen aus dem vergangenen November, als Kovac sein Amt wirklich nur haarscharf rettete. Klare Abläufe sind auch jetzt nicht erkennbar. Die Abwehr wackelt, in der Offensive mangelt es an Kreativität. Einzig auf die individuelle Klasse in einigen Situationen können sich die Münchner verlassen.
Sportdirektor Hasan Salihamidzic flüchtete sich in Sarkasmus. Es sei ein „Top-Abend“gewesen und „ein Riesenspiel“, sagte Salihamidzic voller Ironie. Eine Erklärung für die erschreckende Leistung lieferte er nicht. In die Mixed Zone sei er nur „aus Freundlichkeit“gekommen, „um da zu sein“. Dieser Auftritt passte zu einem Abend, der viele Fragen aufwirft.
Fragen, die schnellstmöglich beantwortet werden müssen.
„Schreib einfach FC Bayern drüber. Dann ein leeres Blatt, das beschreibt unsere Leistung am besten.“
Manuel Neuer