Schwache Vorstellung
Eiskalter Wind pfeift über die Insel, selbst im englischen Süden dämmert es schon um 16 Uhr, in Schottland dauert der Tag kaum sechs Stunden. Den Kämpfern um die Gunst des Wahlvolks bleiben also nur wenige Stunden Tageslicht, um ihre Botschaft bei den hier üblichen Hausbesuchen an die Frauen und Männer zu bringen. Umso wichtiger sind deshalb die Debatten im Fernsehen.
Politikern wie Fernsehanstalten müsste also mehr als sonst an einer Mischung aus dem unvermeidlichen Schlagabtausch und nachvollziehbaren Argumenten gelegen sein. Wie man es nicht macht, haben Premier Boris Johnson und Labour-Chef Jeremy Corbyn demonstriert. Ihre leeren Phrasen beantwortete das Publikum zu Recht mit Hohngelächter, nahm den Kontrahenten aber durch dauernden Beifall auch kostbare Erklärzeit weg.
Gewiss hat das Duell-Format seine Berechtigung, wenn es die kleineren Parteien auch kritisieren. Nur der Tory-Mann und der Labour-Mann haben eine realistische Chance auf den (Wieder-) Einzug in die Downing Street. Für das zweite TV-Duell sollten sich Kontrahenten und Moderatorin auf höchstens drei Themen beschränken und diese ohne johlende Zwischenrufe diskutieren.
Brexit-Party lediglich über Abgeordnete im EU-Parlament verfügt. Sowohl die liberale Parteichefin Joanne Swinson wie Nicola Sturgeon, Vorsitzende der schottischen Nationalpartei SNP, hatten vorab gerichtlich ihre Beteiligung an der Debatte zu erzwingen versucht, was der Londoner High Court ablehnte. Anders als seit Jahrzehnten in Amerika und seit diesem Jahrhundert auch in Frankreich oder Deutschland war das Format des Duells zwischen Amtsinhaber und Herausforderer auf der Insel bisher kein selbstverständlicher Bestandteil der politischen Auseinandersetzung.