Auf den Wellen der Liebe
Florian Silbereisen ist am 26. Dezember erstmals als neuer Traumschiff-Kapitän zu sehen
Ach, Zeiten der Unschuld waren das, als das erste Traumschiff am 22. November 1981 in See stach! Keiner diskutierte damals über peinliche Themen wie Schadstoffausstoß und Ökobilanz. Jugendfrisch wie Heide Keller als Chefhostess Beatrice war die Freude an der Kreuzfahrt, die seither zu einem Phänomen des Massentourismus geworden ist. Zu Weihnachten geht ein neuer Kapitän an Bord, der sich in der Reihe markanter Vorgänger bewähren muss: Max Parger in der relativ zarten Gestalt von Florian Silbereisen, dem Schlagersänger und Moderator populärer Fernsehshows.
Nicht nur die Crew ist zunächst äußerst irritiert, dass so ein Bürschchen mit Tattoos und gezupften Augenbrauen der neue Chef an Bord sein soll – wo doch Staff-Kapitän Grimm (Daniel Morgenroth) mit grauem Bart und väterlicher Würde der richtige Kandidat und Darsteller für den Posten wäre. Nun, das ZDF ist ja keine Reederei, da geht es eher um die Rederei – im Publikum.
Nach dem Tod des alten Produzenten Wolfgang Rademann 2016 und dem Abschiedsgezänk des letzten Kapitäns Sascha Hehn („Die Serie hat ihren Charme verloren.“) braucht man neue Fans – und hofft auf die Schar der in Silbereisen verliebten Anhänger der schlagerhaften Volksmusik. Als Profi in Sachen Gefühlsduselei
versichert der ExFreund von Helene Fischer, dass die Rolle des Kapitäns in der Kultserie für ihn „eine Herzensangelegenheit“sei. Seine „ganze Leidenschaft“wolle er dafür geben.
Mit tiefem Ernst und bayrisch rollendem rrr versichert er der Crew und den Fans: „Ich weiß zu jeder Zeit genau, was ich tue.“Und steuert die MS Amadea erst einmal gegen den Rat des Staff-Kapitäns über gefährliche Untiefen durch karibische Gewässer. Natürlich fürchten wir nicht um das schlanke weiße Schiff, denn wir wissen, der Neue wird sich auf jeden Fall bewähren. Prompt gerät ein Fischerboot in Seenot, ein kleiner Junge muss durch ein riskantes Manöver und einen beherzten Sprung des Kapitäns persönlich gerettet werden. „Respekt!“murmelt da sogar Rivale Grimm.
Und damit wären wir beim herrlichen Prinzip des Traumschiffs. Da wird ja keineswegs behauptet, dass immer eitel Freude herrscht an Bord und im Leben. Im Gegenteil: Zwischen Liebeskummer und Lebensgefahr schlagen die Wellen etlicher Dramen hoch. Doch sie werden sich alle im Laufe der Kreuzfahrt in Wohlgefallen auflösen. Krisenbewältigung ist die schönste Art der Unterhaltung.
Schon in der Ankunftsszene ahnt man die Konflikte, die da kommen werden. In diesem Fall erscheinen Uschi Glas und Michael Gwisdek als altes Ehepaar, das seine Goldene Hochzeit an paradiesischen Stränden feiern möchte. Das heißt, die Gattin möchte es und ist begeistert vom Anblick des Schiffs: „Schau mal Heinz, da ist es!“Doch Heinz möchte lieber zu Hause im Garten sitzen und hat keine Lust auf gehobenen Lifestyle. Auch der 13-jährige Tobias ist bockig. Dabei weiß er noch gar nicht, dass seine Mutter ihm auf dieser Reise ihren schwulen Jugendfreund, der mit seinem Verlobten unterwegs ist, als seinen Vater vorstellen wird.
Keine Langeweile beim Kulturteil Ja, man ist inzwischen progressiv und bunt aufgestellt, was die Aufregungen auf dem Traumschiff betrifft. Auch die Gay Community soll ihren Spaß an der Serie haben – und überhaupt alle Leute. Der coole TV-Komiker und Quizmaster Joko Winterscheidt hat einen albernen kleinen Auftritt als Bruder des Kapitäns. Sarah Lombardi aus „Deutschland sucht den Superstar“spielt ein singendes Zimmermädchen. Für den konservativen Geschmack wehrt Barbara Wussow als Hoteldirektorin Hanna Liebhold die Avancen eines alten Verehrers ab. Der Mann ist Kreuzfahrt-Kritiker – beneidenswerter Beruf.
Ganz nebenbei ist die Serie ein riesiger Werbespot für das Schiff, seine cremefarbenen Kabinen, sein Hummer-Dinner und seine Glitzershows. Und wie immer wird beim
Landgang eine Destination vorgestellt: diesmal die Luxusinsel Antigua, zu genießen ohne jede Sprachbarriere.
Damit niemand beim Kulturteil aus Langeweile umschaltet, wird wieder mal eine Person vermisst, es kommt zu Streitigkeiten und Schwächeanfällen. Aber Schiffsarzt Dr. Sander (Nick Wilder) ist allzeit nah, und durch den Zauber des Drehbuchs sind am Ende alle glücklich, gesund und versöhnt oder zumindest in ihrem Leid getröstet.
Bevor die obligatorische Eisbombe mit den Wunderkerzen durch das Schlussbild getragen wird, hält der Kapitän seine Schlussrede, die kann nicht salbungsvoll genug sein. Florian Silbereisen wirft sich in die Brust und spricht von Sieg und Niederlage, Hoffnungen und Träumen. Man dürfe nie aufgeben und müsse die Angst überwinden, um das Glück zu finden. Seufz! Zu schade, dass das Leben keine Kreuzfahrt auf dem Traumschiff ist.