O du fröhliche
Heiter-besinnliche Weihnachtsrevue beim Stiftsbund
(R.) - Man nehme Musik und Poesie, füge eine Prise Humor, großartige Stimmen, handverlesene Texte, einen Rezitator von Format und einen Arrangeur hinzu, der das Ganze mit leichter Hand zum süffigen Cocktail schüttelt, und fertig ist das Weihnachtswunder à la Stiftsbund. Wer am Samstagabend im swingenden, klingenden und wie immer rappelvollen Atelier Kurz nicht in weihnachtliche Stimmung kam, dem ist nicht zu helfen. Das Tüpfelchen auf dem sprichwörtlichen i war Moderator Markus Fingerle, der Text und Gesang aufs Schönste zu verbinden wusste.
Flankiert von Arrangeur Hannes Schauz am Klavier, Kristjan Single am Bass und Matthias Kurz an den Drums, legten die Gesangssolisten Tanja Gold-Hagel, Anne Beck und Michael Bölz mit dem Earth, Wind and Fire-Oldie „Fantasy“und Reinhard Meys „Es ist Weihnachtstag“los. Mit Wilhelm Buschs Gedicht „Der Stern“brachte der Aalener Journalist und Rezitator Raymond Contraél die Lichtlein des Weihnachtsfests zum „wonniglichen“Scheinen. Bertolt Brechts „Das Paket des lieben Gottes“ist eine eher ungemütliche Geschichte mit einer überraschenden weihnachtlichen Pointe. Perfekt passte dazu der Song „His Eye is on the Sparrow“aus „Sister Act II“.
Das Schicksal der Weihnachtsbäume
Als Solist glänzte Michael Böltz mit dem Nat-King-Cole-Titel „Chestnuts roasting on an open Fire“. Humorvoll und tragisch zugleich, wie es sich für ein Ringelnatz-Gedicht gehört, ist „Einsiedlers Heiliger Abend“, mit reichlich virtuellem Burgunder in der Stimme wunderbar gelesen von Raymond Contraél. Tragisch mutet auch das Schicksal der Weihnachtsbäume in Else Lasker-Schülers Gedicht an, die ihres schimmernden Glanzes beraubt alle Jahre wieder achtlos weggeworfen auf dem Müll landen.
Tanja Gold-Hagels Soulstimme machte aus Anastacias Hit „Hold On“ein Ereignis. Jeglichen Anflug sentimentaler Rührseligkeit erstickte „Großstadt-Weihnachten“des großen Spötters Kurt Tucholsky: „Nun senkt sich wieder nieder auf die heim’schen Fluren die Weihenacht…“Den Heiligabend näher rückte „Advent“von Günter Grass – ein Gedicht, das augenzwinkernd den Krieg in Onkel Dagoberts Entenhausener Kinderzimmer aufs Korn nimmt. Cyndi Laupers „True Colours“in der Phil-Collins-Version,
Ariana Grandes „A little more Homework“und die Händel-Arie „Wie lieblich ist der Boten Schritt“mit Tanja Gold-Hagel als Solistin rundeten den musikalischen Part ab.
Zum guten Schluss brachte Contraél Paul Austers Helden Fanshawe mit der „New-York-Trilogie“ins Spiel und lief mit Kästners „Märchen vom Glück“zur Hochform auf. Mit „Weihnachten“des Wortzauberers Urs Widmer als Rausschmeißer setzte er noch eins drauf. Ochs und Esel prosten sich kräftig zu, während die heilige Familie stocknüchtern bleibt. Da sei man doch froh, dass der Abend nun vorbei sei, unkte der Vorleser. Mitnichten. Erst nach Manfred Siebalds „Was hat wohl der Esel gedacht“und „Have Yourself a Merry Little Christmas“endete eine Weihnachtsrevue, die man über den Heiligen Abend hinaus in bester Erinnerung behält – ein Stiftsbund-Geschenk, sozusagen.