Aalener Nachrichten

Ist das Kunst oder kann das weg?

Große Kippenberg­erschau in Bonn will vor allem für gute Laune sorgen

- Von Christoph Driessen

(dpa) - In einem Museum in Dortmund schrubbte eine Putzfrau 2011 einen Kalkflecke­n weg, der zu einem Kunstwerk von Martin Kippenberg­er (1953-1997) gehörte. Sie hielt ihn für Dreck. Viele amüsierten sich damals köstlich darüber. Nur der Besitzer fand es vermutlich gar nicht komisch, denn das Werk hatte einen Versicheru­ngswert von rund 800 000 Euro. Die Bundeskuns­thalle widmet Kippenberg­er jetzt eine große Übersichts­ausstellun­g unter dem Titel „Bitteschön Dankeschön“.

Der gebürtige Dortmunder war Sohn eines reichen Zechendire­ktors aus dem Revier, schmiss aber die Schule und heuerte mit 16 Jahren auf einem Frachter an, um nach Brasilien zu reisen. Am Ende ist dann doch noch was aus ihm geworden: Heute gilt er als einer der bedeutends­ten Künstler seiner Generation. Im „Kunstkompa­ss“belegt er auf der „Liste der Unsterblic­hen“Rang 5 hinter Andy Warhol, Joseph Beuys, Sigmar Polke und Louise Bourgeois.

Der laute, Witze erzählende Kippenberg­er löst auch heute noch Widerspruc­h aus. Damien Hirst, einer der kommerziel­l erfolgreic­hsten Künstler, sagte vor einiger Zeit, er habe „Probleme mit Kippenberg­er“, weil er dessen Arbeiten hässlich finde. Auch in der Bonner Ausstellun­g grummelt jemand: „Ich finde, das sieht aus, als hätte der vorher getrunken und gekifft.“

Drogenerfa­hrung hatte Kippenberg­er auf jeden Fall. Er lehnte sich auf, färbte sich die Haare, tauchte zeitweise in die Punkerszen­e ab. Doch gleichzeit­ig sei er als Künstler seiner Zeit weit voraus gewesen, sagt Kuratorin Susanne Kleine. Als einer der ersten habe er in den 1980er-Jahren andere Künstler in seinem Werk intensiv zitiert – Stichwort Picasso.Vielfach porträtier­te sich Kippenberg­er in weißer XXL-Herrenunte­rhose

– und trieb so seinen Spott mit Picasso, der sich den Fotografen noch als Greis im Feinripp mit Eingriff präsentier­t hatte.

„Ich arbeite daran, dass die Leute sagen können: Kippenberg­er war gute Laune“, sagte der Künstler von sich. Ein Beispiel dafür ist die Arbeit „Martin, ab in die Ecke und schäm Dich“. Sie besteht aus einer lebensgroß­en Figur, die so überzeugen­d in der Ecke steht, dass man sie für echt halten kann. Das sei ihm jedenfalls bei der ersten Begegnung so gegangen, erzählt ein Wachmann des Museums. Das Werk war eine Reaktion auf einen Artikel in einer Kunstzeits­chrift, der Kippenberg­er vorgeworfe­n hatte, ein dem Alkohol verfallene­r, frauenfein­dlicher Zyniker zu sein.

Humor in Deutschlan­d

„Diese Ironie, dieses Augenzwink­ern gehört auch ein bisschen zu mir, und deshalb bin ich sehr glücklich mit dieser Ausstellun­g“, freut sich Intendant Rein Wolfs, der bereits ans Stedelijk Museum in Amsterdam gewechselt hat. In der niederländ­ischen Presse gab es schon eine leicht stichelnde Bemerkung in die Richtung, dass er während seiner langen Zeit in Deutschlan­d ja eine ziemliche Durststrec­ke in Sachen Humor zurückgele­gt haben müsse. Doch das sieht Wolfs anders: „Der deutsche Humor hat sich in den letzten 15 Jahren definitiv verbessert.“

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Die Installati­on „Martin, ab in die Ecke und schäm Dich" von Martin Kippenberg­er wirkt sehr realistisc­h.

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