Laterne Gottes bekommt ein neues Fenster
Das Festjahr zu 800 Jahre Kathedrale von Metz ist angelaufen
(KNA) - Wer Glück hat, erwischt einen stillen Moment am frühen Morgen oder am Abend, wenn die Kathedrale Saint-Etienne wirklich das ist, als was sie gebaut wurde: Gottes Haus. Wenn die Touristen noch oder wieder in ihren Hotels sind und die Sonne das Kirchenschiff in ein diffuses Licht taucht, spürt der Besucher die grandiose Erhabenheit und Ruhe des Gebäudes.
Erzeugt wird diese einzigartige Atmosphäre durch riesige 6500 Quadratmeter Fensterfläche. „Laterne Gottes“wird die Stephanskathedrale von Metz deshalb genannt und „Edelstein Lothringens“. 1220, vor 800 Jahren, wurde der Grundstein für den Neubau gelegt. Im Dezember 1220 ermächtigte Papst Honorius III. Bischof Konrad von Scharfenberg, zehn Jahre lang Spenden für die Arbeiten zu sammeln, die „hohe Ausgaben“erforderten.
Die Diözese Metz hat ein Jubeljahr ausgerufen, es ist bereits angelaufen.
Die Bischofskirche von Metz nennt nicht nur ein 42 Meter hohes Gewölbe ihr Eigen – eines der höchsten des gotischen Kirchbaus überhaupt; sondern auch eine der größten Kirchenfensterflächen der Welt. Zum Vergleich: Das gotische „GlasUniversum“von Chartres hat „nur“2500 Quadratmeter. Die Fenster des
Lang- und Querhauses wurden zwischen dem 13. und dem 20. Jahrhundert von bedeutenden Künstlern gestaltet. Der berühmteste von ihnen war Marc Chagall (1887-1985).
Chagalls Dank an die Metzer
Im linken Querhaus erzählt Chagall die Geschichte von Adam und Eva, die wie zwei Verliebte durch das leuchtend gelbe Paradies schweben. Nach dem Sündenfall müssen sie aber in die blaue Realität am rechten unteren Bildrand abtauchen. Im Chorumgang ein weiteres Meisterwerk des jüdischen Künstlers: Farbenprächtige Szenen aus dem Buch Genesis zeigen unter anderem das Opfer Abrahams, Jakob im Kampf gegen den Engel, Jakobs Traum und Moses mit dem brennenden Dornbusch. Chagall fertigte die Zeichnungen ohne Honorar; ein Geschenk für die Metzer als Dank dafür, dass sie während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg Juden geschützt hatten.
Die Fenster in der südlichen Sakramentskapelle aus dem 15. Jahrhundert hat der kubistische Maler Jacques Villon 1957 gestaltet, im Alter von 82 Jahren. Dennoch sind sie ein Erstlingswerk: seine ersten Arbeiten als Glaskünstler. Villon (1875-1963) zerlegt seine Darstellungen in kleine Fragmente; die leuchtenden Farben tauchen den Kirchenboden in ein buntes Licht.
Im Jubiläumsjahr erhält die Kathedrale ein neues Kirchenfenster: Die Triforiumszone der Nikolauskapelle soll die südkoreanische Künstlerin Kimsooja (62) neu bespielen – mit „Nanopolymeren inmitten irisierender Glasblätter“, wie es enigmatisch in einer Ankündigung heißt.
Die Baugeschichte der Stephanskirche ist alles andere als geradlinig verlaufen. Das erste Gotteshaus hier war ein Oratorium zu Ehren des heiligen Stephanus; es blieb bei der Zerstörung der Stadt durch Hunnenkönig Attila 451 wie durch ein Wunder verschont. Aus einem gallo-römischen Thermalbad stammt noch das zweieinhalb Meter lange ovale Taufbecken: eine regelrechte „Badewanne“
aus Porphyr, in die der Täufling ganz eingetaucht wurde. Der steinerne Bischofsthron ist ein Werk des 7. Jahrhunderts.
Im frühen Mittelalter entstanden hier in unmittelbarer Nachbarschaft die Bischofskirche und ein Marienstift. Als das Metzer Domkapitel 1220 eine neue, große, gotische Kathedrale errichten wollte, stieß es an den Toren des Stifts auf Granit: Dessen Geistliche waren überhaupt nicht willig, ihr Territorium abzugeben. Erst im 14. Jahrhundert wuchsen die beiden Kirchen unter einem Dach zusammen. Es gab Probleme statischer Art. Erst 1520 waren die Bauarbeiten abgeschlossen – nach 300 Jahren. Die Weihe erfolgte endlich 1552.