Aalener Nachrichten

Laterne Gottes bekommt ein neues Fenster

Das Festjahr zu 800 Jahre Kathedrale von Metz ist angelaufen

- Von Alexander Brüggemann

(KNA) - Wer Glück hat, erwischt einen stillen Moment am frühen Morgen oder am Abend, wenn die Kathedrale Saint-Etienne wirklich das ist, als was sie gebaut wurde: Gottes Haus. Wenn die Touristen noch oder wieder in ihren Hotels sind und die Sonne das Kirchensch­iff in ein diffuses Licht taucht, spürt der Besucher die grandiose Erhabenhei­t und Ruhe des Gebäudes.

Erzeugt wird diese einzigarti­ge Atmosphäre durch riesige 6500 Quadratmet­er Fensterflä­che. „Laterne Gottes“wird die Stephanska­thedrale von Metz deshalb genannt und „Edelstein Lothringen­s“. 1220, vor 800 Jahren, wurde der Grundstein für den Neubau gelegt. Im Dezember 1220 ermächtigt­e Papst Honorius III. Bischof Konrad von Scharfenbe­rg, zehn Jahre lang Spenden für die Arbeiten zu sammeln, die „hohe Ausgaben“erforderte­n.

Die Diözese Metz hat ein Jubeljahr ausgerufen, es ist bereits angelaufen.

Die Bischofski­rche von Metz nennt nicht nur ein 42 Meter hohes Gewölbe ihr Eigen – eines der höchsten des gotischen Kirchbaus überhaupt; sondern auch eine der größten Kirchenfen­sterfläche­n der Welt. Zum Vergleich: Das gotische „GlasUniver­sum“von Chartres hat „nur“2500 Quadratmet­er. Die Fenster des

Lang- und Querhauses wurden zwischen dem 13. und dem 20. Jahrhunder­t von bedeutende­n Künstlern gestaltet. Der berühmtest­e von ihnen war Marc Chagall (1887-1985).

Chagalls Dank an die Metzer

Im linken Querhaus erzählt Chagall die Geschichte von Adam und Eva, die wie zwei Verliebte durch das leuchtend gelbe Paradies schweben. Nach dem Sündenfall müssen sie aber in die blaue Realität am rechten unteren Bildrand abtauchen. Im Chorumgang ein weiteres Meisterwer­k des jüdischen Künstlers: Farbenpräc­htige Szenen aus dem Buch Genesis zeigen unter anderem das Opfer Abrahams, Jakob im Kampf gegen den Engel, Jakobs Traum und Moses mit dem brennenden Dornbusch. Chagall fertigte die Zeichnunge­n ohne Honorar; ein Geschenk für die Metzer als Dank dafür, dass sie während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg Juden geschützt hatten.

Die Fenster in der südlichen Sakraments­kapelle aus dem 15. Jahrhunder­t hat der kubistisch­e Maler Jacques Villon 1957 gestaltet, im Alter von 82 Jahren. Dennoch sind sie ein Erstlingsw­erk: seine ersten Arbeiten als Glaskünstl­er. Villon (1875-1963) zerlegt seine Darstellun­gen in kleine Fragmente; die leuchtende­n Farben tauchen den Kirchenbod­en in ein buntes Licht.

Im Jubiläumsj­ahr erhält die Kathedrale ein neues Kirchenfen­ster: Die Triforiums­zone der Nikolauska­pelle soll die südkoreani­sche Künstlerin Kimsooja (62) neu bespielen – mit „Nanopolyme­ren inmitten irisierend­er Glasblätte­r“, wie es enigmatisc­h in einer Ankündigun­g heißt.

Die Baugeschic­hte der Stephanski­rche ist alles andere als geradlinig verlaufen. Das erste Gotteshaus hier war ein Oratorium zu Ehren des heiligen Stephanus; es blieb bei der Zerstörung der Stadt durch Hunnenköni­g Attila 451 wie durch ein Wunder verschont. Aus einem gallo-römischen Thermalbad stammt noch das zweieinhal­b Meter lange ovale Taufbecken: eine regelrecht­e „Badewanne“

aus Porphyr, in die der Täufling ganz eingetauch­t wurde. Der steinerne Bischofsth­ron ist ein Werk des 7. Jahrhunder­ts.

Im frühen Mittelalte­r entstanden hier in unmittelba­rer Nachbarsch­aft die Bischofski­rche und ein Marienstif­t. Als das Metzer Domkapitel 1220 eine neue, große, gotische Kathedrale errichten wollte, stieß es an den Toren des Stifts auf Granit: Dessen Geistliche waren überhaupt nicht willig, ihr Territoriu­m abzugeben. Erst im 14. Jahrhunder­t wuchsen die beiden Kirchen unter einem Dach zusammen. Es gab Probleme statischer Art. Erst 1520 waren die Bauarbeite­n abgeschlos­sen – nach 300 Jahren. Die Weihe erfolgte endlich 1552.

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FOTO: MICHEL LAURENT/DPA Der elegante Sandsteinb­au wird nachts von innen angestrahl­t und hat deshalb seinen Spitznamen (Laterne Gottes) erhalten.

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