Glaubwürdigkeit in Gefahr
Im kommenden Jahr muss sich Deutschland darüber klar werden, welche militärische Rolle es künftig spielen will oder überhaupt spielen kann. Das erwarten vor allem die Franzosen, die im afrikanischen Mali die europäische Sicherheit gewährleisten. Seit Jahren fordert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein stärkeres Engagement Berlins im Kampf gegen islamistische Terroristen, er handelt sich jedoch regelmäßig Abfuhren ein. Nach langem Hinhalten bewegt sich jetzt wenigstens Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Sie denkt über ein umfassenderes Mandat für die Bundeswehr in der Sahelzone nach, das über den bisherigen Stand der eher wirkungslosen Stabilisierungs- und Ausbildungsmissionen hinausgeht.
In der westafrikanischen Region sind dschihadistische Milizen auf dem Vormarsch, die Vereinten Nationen haben wie Papst Franziskus nach fürchterlichen Anschlägen öffentlich ihre Sorgen kundgetan. Nicht zu reagieren hieße, die Dinge laufen zu lassen. Die Konsequenzen eines Nichthandelns könnten vergleichbar mit denen in Syrien sein, wo Europa nur noch einen Beobachterstatus innehat und trotz gezielter Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser nichts mehr unternehmen kann. Es bleiben wohlfeile Appelle.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten laufen Gefahr, wegen ihrer Uneinigkeit und fehlender Strategie international nicht mehr ernst genommen zu werden. So kündigt etwa die Türkei an, im Januar im Bürgerkriegsland Libyen militärisch aktiv werden zu wollen. Warnungen aus Brüssel oder gar Berlin sind bislang verhallt. In Nordsyrien macht Ankara bereits vor, dass europäische Interessen oder gar Wertvorstellungen problemlos ignoriert werden können.
Für Deutschland besteht dringender Handlungsbedarf. Es geht nicht darum, wie die neue SPD-Vorsitzende Saskia Esken vermutet, „undurchdachte Militäraktionen“voranzutreiben. Für die Verbündeten geht es darum zu wissen, was sie vom größten Land Europas und letztlich von der EU erwarten können.