Trauer um Manfred Stolpe
Brandenburgs Ex-Ministerpräsident starb 83-jährig
(epd) - Manfred Stolpe (Foto: dpa), erster Brandenburger Ministerpräsident im wiedervereinten Deutschland, ist tot. Der einstige DDR-Kirchenjurist sei nach langer Krankheit im Kreise seiner Familie friedlich eingeschlafen, teilte die Staatskanzlei am Montag in Potsdam mit. Stolpe wurde 83 Jahre alt.
Vertreter aus Politik und Kirchen würdigten ihn am Montag als bedeutende Persönlichkeit. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier betonte, Stolpe habe den Weg Ostdeutschlands in die Demokratie geprägt. Kanzlerin Angela Merkel sagte, der SPD-Politiker habe „leidenschaftlich und geradlinig im Einsatz für seine Mitbürger“die Politik im wiedervereinigten Deutschland mitgestaltet.
Unter den Persönlichkeiten, die in den letzten Jahren der DDR und dann im wiedervereinigten Deutschland eine führende Rolle spielten, hat er die wohl erstaunlichste Karriere gemacht. Der Kirchenmann und Politiker Manfred Stolpe beherrschte wie kein zweiter die „Kunst des Möglichen“in den unterschiedlichen Systemen. Das machte ihn für die einen zu einer Reizfigur, für die anderen zum verlässlichen Sachwalter ihrer Interessen. In der Nacht zum Sonntag ist er im Alter von 83 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben.
Für einen jungen evangelischen Juristen gab es in den 1960er-Jahren in der DDR nicht viele Berufswege. Stolpe, am 16. Mai 1936 in Stettin geboren, ging zum Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK). Von 1969 bis 1981 leitete er dessen Sekretariat, danach war er Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg (Ost) und stellvertretender BEK-Vorsitzender.
Diese Ämter waren unter dem SED-Regime zwangsläufig politisch
– Kirchenjuristen mussten in Konfliktfällen aller Art mit den jeweiligen Staatsfunktionären verhandeln. Dass dazu auch das Ministerium für Staatssicherheit gehörte, wurde nach 1990 bekannt, ebenso die Tatsache, dass die Stasi ihre kirchlichen Gesprächspartner als „Inoffizielle Mitarbeiter“registriert hatte.
Stolpes größter diplomatischer Erfolg war das Treffen einer Delegation evangelischer Kirchenführer mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker im März 1978, das für die evangelische Kirche mehr Handlungsspielraum eröffnete. Innerkirchlich galt es, die Balance zwischen oppositionellen Gruppen und manchen sehr staatstreuen Kräften auszutarieren.
Nach dem Ende der DDR führte all dies zu Kritik vor allem von Bürgerrechtlern.
Die – von der Stasi vernichtete – IM-Akte mit dem Decknamen „Sekretär“wurde zum Thema von Rechtsstreitigkeiten und Enquete-Kommissionen. Die evangelische Kirche bescheinigte Stolpe nach eigener Überprüfung, dass er immer ein „Mann der Kirche“geblieben sei und nicht die Seiten gewechselt habe.
Ungeachtet dieser Auseinandersetzungen startete Stolpe Ende 1990 seine zweite Karriere als Politiker, als er zum ersten Ministerpräsidenten Brandenburgs gewählt wurde. Trotz mancher Pannen und Rückschläge wirkte er durchaus erfolgreich als Landesvater – nicht ohne Grund ist Brandenburg bis heute das einzige durchgehend SPD-regierte ostdeutsche Bundesland. Stolpe pflegte einen eher präsidialen, konsensorientierten Regierungsstil, scheute aber auch nicht vor Streit – selbst mit den Kirchen – zurück.
Nach Übergabe des Ministerpräsidentenamts an Matthias Platzeck 2002 wechselte Stolpe bis 2005 in die Bundespolitik: als Bundestagsabgeordneter und glückloser Bundesverkehrsminister in der zweiten rotgrünen Regierung. Später machte er vor allem durch seine Krebserkrankung öffentlich von sich reden. Zusammen mit seiner ebenfalls krebskranken Frau Ingrid lebte er seit einigen Jahren in einer Seniorenresidenz in Potsdam.
Mit privaten Äußerungen hielt sich Stolpe ansonsten zurück. Auf die Frage, auf welche Leistung er besonders stolz sei, antwortete er einmal: „Meine Bemühungen, in der DDR-Revolution Blutvergießen zu verhindern“. (KNA)