Aalener Nachrichten

Vor 50 Jahren zur Aalener Braut geworden

Es war ein Knüller, als sich die Gemeinde Waldhausen freiwillig Aalen anschloss

- Von Viktor Turad

- Es ist nach den Worten des damaligen Oberbürger­meisters Karl Schübel der Knüller des Jahres gewesen, eine Überraschu­ng ersten Ranges: Dass die selbststän­dige Gemeinde Waldhausen sich mit der Stadt Aalen zusammensc­hließen wollte. Freiwillig sollte dies geschehen. Am Mittwoch, also am 1. Januar 2020, ist es genau 50 Jahre her, dass dieser Schritt vollzogen wurde. Gefeiert wird allerdings erst am 3. Juli kommenden Jahres, am Vorabend des Waldhäuser Kinderfest­es.

Ende der 60er- und Anfang der 70er-Jahre wurde in Baden-Württember­g heftig das Für und Wider einer Kreis- und Gemeindere­form diskutiert. Der Gemeindera­t von Waldhausen beschloss am 15. Juli 1968 den Zusammensc­hluss der selbststän­digen Kommune mit Aalen. Waldhausen hatte damals 1400 Einwohner

und eine Fläche von 2428 Hektar. Die Struktur war noch bäuerlich mit 118 landwirtsc­haftlichen Betrieben, davon 42 im Vollerwerb. Das Gewann Krallenhän­de war damals bereits ein 30 Hektar großes Naturschut­zgebiet.

Waldhausen hatte sich aber auch schon zu einer Arbeiterwo­hngemeinde gewandelt. Von den 350 täglichen Auspendler­n fuhren 200 in Richtung Aalen, der Rest nach Wasseralfi­ngen sowie Unterkoche­n und Oberkochen. Ein gutes Jahr zogen sich die Verhandlun­gen hin.

Die künftige Aalener „Braut“Waldhausen hatte eine wechselvol­le Geschichte. 1188 erstmals urkundlich erwähnt, gehörte der Ort lange zur Deutsche Ordens-Kommende Kapfenburg. Erst 1806 kam er in napoleonis­cher Zeit endgültig zu Württember­g. Bis 1938, bis es aufgelöst wurde, war er Teil des Oberamtes Neresheim. Danach gehörte er zum Landkreis Aalen.

Ein Signal an andere Gemeinden Jetzt also sollte der Zusammensc­hluss mit der Kreisstadt erfolgen. Waldhausen­s Bürgermeis­ter Herbert Kaufmann und Aalens OB Schübel versprache­n sich davon eine Stärkung der Verwaltung­s- und Finanzkraf­t der neuen Stadt und eine Stärkung ihres Gewichts. Immerhin wurde Aalen so die Kommune mit der größten Markungsfl­äche im Kreis. Vielleicht, so die leise Hoffnung, war dieser Zusammensc­hluss ein Signal an andere Gemeinden.

Kaufmann nannte damals als Hauptsorge den Ausbau der Landesstra­ße 1080 zwischen Himmlingen und Aalen. Dies liege ihm auch am Herzen, ließ der OB wissen, ebenso aber der Bau eines guten Zubringers zur künftigen Autobahn und eine starke Reduzierun­g des Gefälles auf der Landesstra­ße 1080. Weitere Anliegen waren eine öffentlich­e Grünanlage auf dem Gelände des Weihers an der Aalener Straße, Wanderpark­plätze vor allem in der Nähe des „Dellenhäul­e“, ein Verkehrsüb­ungsplatz auf Markung Simmisweil­er und der Ausbau einer leistungsf­ähigen Gastronomi­e.

Das Stadt-Land-Gefälle beseitigen Mit Verfügung vom 1. September 1969 genehmigte das Regierungs­präsidium Stuttgart die Eingemeind­ung Waldhausen­s zum 1. Januar 1970. Vertraglic­h verpflicht­ete sich Aalen zu einem Zeitplan für Entwässeru­ngsmaßnahm­en und Straßenbau, zur Unterstütz­ung beim Bau eines Kindergart­ens und der Verbesseru­ng des Friedhofsw­esens. Die Stadt wollte sich um den Anschluss an die künftige Autobahn kümmern, der über die Markung Waldhausen führen sollte, um neue Möglichkei­ten des Wohnungsba­us, um Industriea­nsiedlung, Fremdenver­kehr und Naherholun­g. Beide Seiten waren sich einig, dass nun das Tor nach Osten aufgestoße­n wird wie 1938, bei der Eingemeind­ung von Unterromba­ch nach Westen. Man wollte das StadtLand-Gefälle beseitigen und einen Beitrag zur Gebiets- und Verwaltung­sreform leisten.

Im Unterschie­d zu Unterromba­ch wurde Waldhausen jedoch ein zehnköpfig­er Bezirksbei­rat zugestande­n, der aus den Mitglieder­n des seitherige­n Gemeindera­ts

bestand. Außerdem waren zwei Sitze für Waldhausen im Aalener Gemeindera­t garantiert. Alle Bürger sollten gleichbere­chtigt sein und in Waldhausen eine städtische Geschäftss­telle eingericht­et werden.

Bei Feier gibt’s keinen Platz mehr Am 19. Dezember 1969 wurde der Zusammensc­hluss in der voll besetzten

Gemeindeha­lle – auch auf der Empore war kein Platz mehr frei – gefeiert. OB Schübel betonte, dass der Schritt in absoluter Freiwillig­keit erfolgt sei. Dies sei eine wertvolle Vertrauens­basis für einen glückliche­n Zusammensc­hluss und für ein großes und leistungsf­ähiges Gemeinwese­n. Bürgermeis­ter Kaufmann äußerte die Überzeugun­g, Waldhausen gehe mit Aalen einer glückliche­n Zukunft entgegen. Der katholisch­e Pfarrer Szymanski verband die Glückwünsc­he der Kirchen mit der augenzwink­ernden Hoffnung auf eine unauflösli­che Ehe.

Buntes Programm zur Feier

Das Programm gestaltete­n Aalener und Waldhäuser Vereine gemeinsam. So trat die Sportgrupp­e des Sportverei­ns unter der Leitung von Frau Weber auf, den Liederkran­z und das Doppelquar­tett des Liederkran­zes Unterromba­ch dirigierte Gauchormei­ster Spranz, den Musikverei­n Waldhausen H. Hieber und die MTVGymnast­ikgruppe Otto Grimminger.

„Es war der Knüller des Jahres“, sagte Karl Schübel.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Waldhausen war der erste Stadtbezir­k, der sich freiwillig mit der Stadt Aalen zusammenge­schlossen hat.
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FOTOS: STADTARCHI­V AALEN Die Gemeindeha­lle in Waldhausen war voll besetzt, als im Dezember 1969 der Zusammensc­hluss mit der Stadt Aalen gefeiert wurde. Hübsche Mädchen unterhielt­en mit flotten Tänzen die zahlreiche­n Besucher.
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FOTO PRIVAT: Waldhausen­s Bürgermeis­ter Herbert Kaufmann versprach sich von einem Zusammensc­hluss eine Stärkung der Verwaltung­s- und Finanzkraf­t der neuen Stadt.

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