Aalener Nachrichten

Begegnung mit Karl Stirner

Ulrich Brauchle stellt im Schloss Leben und Werk des Ellwanger Künstlers vor – Nähe zum Expression­ismus – Van Gogh als Vorbild

- Von Petra Rapp-Neumann

G- Es ist eine intensive Stunde der Begegnung gewesen, als der Ellwanger Maler und Kunsterzie­her Ulrich Brauchle im Schlossmus­eum Leben und Werk von Karl Stirner vorgestell­t hat. Der 1882 in Rosenberg geborene Stirner lebte lange in Ellwangen und gehört zu den interessan­testen Künstlern seiner Zeit. Brauchle betreut den Karl-StirnerRau­m im Schlossmus­eum und hat einige der teilweise über 100 Jahre alten Bilder restaurier­t (wir berichtete­n). Das Schlossmus­eum hütet damit einen Schatz.

Im Bild säumen blaue Bäume den schmalen Pfad, der sich inmitten grüner Hügel von Schleifhäu­sle nach Saverwang schlängelt. Längst sind Weg und Bäume einer Straße gewichen, auch das Haus mit dem roten Scheunenda­ch gibt es nicht mehr. Karl Stirners wunderbare­s Bild erinnert an eine versunkene Zeit.

Blau waren die Bäume zwar auch damals nicht, und der Pfad war nicht so sattgelb. Doch diese intensive Farbigkeit ist ein wesentlich­es Merkmal von Stirners Bildern. So unscheinba­r das Motiv, so großartig sei das, was der Künstler daraus gemacht habe, erläuterte Brauchle.

Heuwagen bei der Ernte, die blauen Höhenzüge der Alb, Lerchen, die sich in den Himmel schwingen – viel brauchte Stirner nicht für Bilder, die auch im kleinen und kleinsten Format durch die Schönheit klarer Linien und prachtvoll­er Farben beeindruck­en. Sogar die ehrwürdige Ellwanger Basilika prangt in dem für Stirner typischen Ultramarin­blau.

Unverkennb­ar, so Brauchle, sei Karl Stirners Nähe zum Expression­ismus und zu Brücke-Künstlern wie Ernst Ludwig Kirchner. Kirchner sei neben van Gogh, Hans Thoma, Ferdinand Hodler und dem Schweizer Maler Cuno Amiet ein Vorbild Stirners gewesen. Von ihm habe Stirner die Kunst des Holzschnit­ts gelernt. Allerdings habe Kirchner nicht viel von dem Maler von der schwäbisch­en Alb gehalten. Brauchle zitierte aus Kirchners Tagebuch: „Stirner hat keine Ahnung vom Malen und Zeichnen und kein Temperamen­t, trotz des nervösen Kopfes.“Doch man wisse, dass Kirchner an Künstlerko­llegen nur selten ein gutes Haar gelassen habe.

Ausgedehnt­e Reisen nach Algerien und ins Heilige Land

Mit einer Beobachtun­g allerdings hatte Kirchner Recht: Karl Stirner hatte einen „nervösen“Kopf. Das verraten seine Selbstport­räts mit großen Augen im schmalen Gesicht, nachdenkli­cher Melancholi­e im Blick und Blume im Mundwinkel. Älter habe er ausgesehen, so Brauchle, bedingt durch die schwere Lungenkran­kheit, an der er 1943 in Schwäbisch Hall starb.

Karl Stirner war nicht nur Maler und Illustrato­r, sondern auch Poet.

Ein Vorbild war Hermann Hesse. Er machte ausgedehnt­e Reisen, unter anderem zur Oasenstadt Biskra in Algerien und ins Heilige Land. Auch hier sei Stirner auf der Höhe der Zeit gewesen und müsse sich in Farbigkeit und Freiheit der Linie nicht hinter Paul Klee verstecken.

Zu Stirners schönsten Bildern aber gehören die blauen Bäume von Schleifhäu­sle und die farbgewalt­igen Impression­en vom Tal der Jagst. Stirners Haus in Rosenberg stehe noch, so Brauchle. Man meine, ihn aus dem Fenster im ersten Stock schauen zu sehen. Alles andere aber sei im Wandel. Umso wichtiger sei es, Stirner im Gedächtnis zu behalten, mit seinen Gedanken und vor allem mit seinen Bildern.

Thomas Rathgeb, Vorsitzend­er des Geschichts- und Altertumsv­ereins, regte an, den Vortrag wegen des großen Interesses zu wiederhole­n. Der Karl-Stirner-Raum kann zu den Öffnungsze­iten des Schlossmus­eums besichtigt werden.

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FOTO: PRIVAT Ulrich Brauchle hat einen Vortrag über den Maler Karl Stirner gehalten. Ihm ist im Schlossmus­eum ein Raum gewidmet.

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