Ein Pilger für den VfB
Kaum bekannt, spannender Lebenslauf – Stuttgarts neuer Coach Pellegrino Matarazzo
(fil) - Müsste man sich irgendwann einmal, die Wege des Lebens sind ja unergründlich, einen Namen für einen Italoamerikaner ausdenken – mit Pellegrino Matarazzo würde man sicher nichts verkehrt machen.
Pellegrino heißt auf Italienisch Pilger, matarazzo steht im kampanischen Dialekt der Eltern des neuen Trainers des VfB Stuttgart genau für das, was einem als Deutscher beim Hören in den Sinn kommt. Doch natürlich hat der VfB den in der breiten (und auch nicht so breiten) Öffentlichkeit kaum bekannten 42-Jährigen nicht als Nachfolger von Tim Walter ausgesucht, weil er einen so schönen Namen hat und als Sohn süditalienischer Einwanderer in New Jersey aufgewachsen ist.
Dass VfB-Vorstandschef Thomas Hitzlsperger und Sportchef Sven Mislintat nun ihre Hoffnungen, „einen Trainer verpflichtet“zu haben, „der sehr gut zu unserer fußballerischen Ausrichtung passt“(Mislintat) in Matarazzo setzen, könnte eher etwas mit dem Ausbildungsweg des Neuen zu tun haben.
Nicht viele andere Fußballtrainer dürften in ihrem Lebenslauf ein abgeschlossenes Studium der angewandten Mathematik an einer amerikanischen Eliteuni stehen haben. Matararzzo, der von seinem Vater die Liebe zum Fußball im Allgemeinen und dem SSC Neapel im Speziellen in die Wiege gelegt bekam, ist Absolvent der Columbia University. Nach Deutschland führte ihn 2000 der Traum vom Profidasein.
„Von den US-Amerikanern habe ich das positive Denken und den Glauben, dass man alles schaffen kann. Von den Italienern das Temperament, ich kann sehr emotional werden. Und von den Deutschen Ordnung, Struktur und Disziplin“, sagte er einst über die drei Kulturen in seinem Leben.
Nach einer eher unspektakulären Spielerkarriere im zentralen Mittelfeld diverser deutscher Dritt- und Viertligisten gehörte Matarazzo dann jener jetzt schon legendären Klasse von 2016 des DFB-Fußballehrerlehrgangs an. Domenico Tedesco, damals Jugendtrainer beim VfB, mittlerweile über Stationen in der Jugend Hoffenheims, in Aue und auf Schalke bei Spartak Moskau gelandet, war damals Klassenbester. Julian Nagelsmann, Matarazzos Zimmergenosse
an der Akademie in Hennef, holte ihn nach der Ausbildung aus Nürnberg erst in die Jugendabteilung der Hoffenheimer und machte ihn in seinem letzten Jahr in Kraichgau zu seinem Assistenten. Jürgen Klinsmanns Chefeinflüsterer bei Hertha, Alexander Nouri, gehörte jenem Jahrgang ebenso an wie Hannover-Coach Kenan Kocak oder Ex-Nationalspielerin Inka Grings, die auf dem besten Weg ist, die Männer des SV Straelen zurück in die Regionalliga West zu führen.
Matarazzo soll nun in seiner ersten Station als verantwortlicher Trainer im Seniorenbereich den Wiederaufstieg schaffen, klar. Aber nicht nur: „Wir wollen kurzfristig erfolgreich sein, unser fußballerisches Profil weiter schärfen und sicherstellen, dass die Tür zur Profimannschaft für unsere Jugendspieler auch in Zukunft offen steht. Für all diese
Herausforderungen sehen wir uns mit Pellegrino Matarazzo als Cheftrainer sehr gut aufgestellt“, ließ sich Vorstandsvorsitzender Thomas Hitzlsperger in der Vereinsmitteilung zitieren.
Hitzlsperger hatte die Trennung von Tim Walter am Vorabend von Heiligabend nach nur 175 Tagen unter anderem auch damit begründet, „dass unterschiedliche Ansichten über die Entwicklung des Kaders zur Realisierung unserer sportlichen Ziele“bestünden. Dieser etwas nebulöse Satz leuchtet nun mit der Verpflichtung des langjährigen Jugendtrainers Matarazzo in neuem Licht. Fußballerisch dürfte sich mit Matarazzo nicht allzu viel verändern. Auch er ist Anhänger einer ball- und passorientierten Spielweise. „Wir wollen in allen Phasen des Spiels aktiv sein, den Gegner auf dem Platz steuern und das Spiel dominieren.
Klar, das möchten viele Mannschaften, aber die Unterschiede liegen im Detail“, sagte Matarazzo in seiner Anfangszeit als Jugendtrainer in Hoffenheim, wo er bis zu seinem überraschenden Wechsel in die Landeshauptstadt Cheftrainer Alfred Schreuder zuarbeitete.
Spannend wird nun zu sehen sein, wie der Profitrainernovize in einer Mannschaft voller Spieler mit internationalen Meriten ankommen wird. Bei Hannes Wolf, der aus der Jugend des BVB zum VfB kam und 2017 den Aufstieg schaffte, klappte dies recht gut. Beim sehr direkten Walter, trotz vorheriger Erfahrung, eher weniger. Auf einen Kuschelkurs dürfen die Profis aber auch unter Matarazzo nicht hoffen. „Ich bin kommunikativ, kritisch und ehrlich“, beschrieb der Neue sich einmal.
Matarazzo hat einen Vertrag bis Juni 2021 unterschrieben, ob die VfBFans aus Pellegrino Matarazzo womöglich einen „San Pellegrino“machen wollen, könnten wir bereits in einem halben Jahr erfahren.
„Ich bin kommunikativ, kritisch und ehrlich.“Pellegrino Matarazzo