Ein Jahr voller Realsatire
Was gab es nicht alles für irrwitzige, absurde Geschichten im Jahr 2019. Bei einem flüchtigen Blick hätten sie als Realsatire durchgehen können, beim genaueren Hinsehen verging dem Betrachter aber das Lachen. Beispiele? Da wäre das nicht enden wollende Drama rund um den Brexit. Das britische Parlament wurde Schauplatz von politischen Schachzügen, tolldreisten Argumentationen oder simplen Lügen, die – so es in seiner Macht stand – von Parlamentsdarauf präsident John Bercow mit seinen berühmten „Order!“-Rufen entlarvt wurden. Da wären die unverfrorenen Behauptungen von US-Präsident Donald Trump. Erklärte er doch ohne mit der Wimper zu zucken, die Kurden hätten die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg in der Normandie nicht unterstützt. Sinngemäß führte er fort, sie müssten sich also nicht wundern, wenn die USA sie nun in Syrien gegen türkische Soldaten und islamistische Milizen alleine ließen. Fast ist man versucht
hinzuweisen, dass die Deutschen den Alliierten 1944 auch nicht geholfen haben. Aber wir sollten keine schlafenden Hunde wecken! Auch über die rhetorischen Verrenkungen der Großkoalitionäre in Berlin soll an dieser Stelle nicht die Rede sein. Schauen wir lieber in den Südwesten. Der ländliche Raum wurde zu einem Synonym für Fortschritt oder technologische Vergangenheit. Wir thematisierten den fehlenden Breitband-Ausbau in Baden-Württemberg und Autor Daniel Drescher hatte dabei das Gefühl, dass sich seit Jahren wenig tut. Anders erging es Dirk Grupe bei seiner Recherche zu einem Dorf für Demenzkranke, das die Diakonie Lindau vorantreibt. In Hergensweiler wird mit frischen Ideen den Herausforderungen einer alternden Gesellschaft
getrotzt. Leider haben sich 2019 die Geschichten übertroffen, die Wetterkapriolen zum Thema hatten. Lawinenunglücke im Oberallgäu, extreme Pegelstände des Bodensees, Dürre im Verbreitungsgebiet. Uwe Jauß war unterwegs und schilderte den Umgang der Menschen hierzulande mit den Wetterereignissen. Zwei Reportagen ragten heraus. Zum einen die Schilderungen von unserer Frankreich-Korrespondentin Christine Longin, wie Paris mit dem verheerenden Brand von
Notre Dame klarkam und zum anderen das deprimierende Gespräch von Claudia Kling mit einer Jesidin im Nordirak. Kling gelang es als einer der wenigen westlichen Journalistinnen überhaupt, mit einem Opfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) über das eigene Schicksal wie über das Leben der leiblichen Kinder zu sprechen. Eine dramatisch und zutiefst irritierende Geschichte über fehlende Menschlichkeit an Orten, wo sie besonders dringend gebraucht würde.