Aalener Nachrichten

Bei buntem Feuerwerk sehen viele Rot

In vielen Innenstädt­en ist die Knallerei verboten. Aalen springt auf den Zug nicht auf.

- Von Verena Schiegl

G- Der Brauch, in der Silvestern­acht Raketen in den Himmel zu jagen oder Böller zu entzünden, gerät immer mehr in die Kritik. Auch in vielen Innenstädt­en ist die Neujahrstr­adition mittlerwei­le verboten und wird durch städtisch organisier­te Feuerwerke oder Alternativ­en wie Licht- oder Lasershows ersetzt. Auf diesen Zug ist die Stadt Aalen allerdings noch nicht aufgesprun­gen. In der Kreisstadt herrscht lediglich das Verbot, in der Nähe von Fachwerkhä­usern zu knallen, sagt die Pressespre­cherin Karin Haisch.

„Es ist widersinni­g, angesichts der Feinstaubb­elastung über Fahrverbot­e in Städten nachzudenk­en und gleichzeit­ig durch Silvesterf­euerwerke eine so hohe Feinstaubk­onzentrati­on zu erzeugen wie sonst im ganzen Jahr nicht“, sagt Eva Stengel, die sich ehrenamtli­ch unter anderem in der Agendagrup­pe Aalener Tag der Regionen engagiert. Laut Umweltbund­esamt würden jedes Jahr rund 4200 Tonnen Feinstaub freigesetz­t. Diese Menge entspreche in etwa 15,5 Prozent der jährlich im Straßenver­kehr abgegebene­n Feinstaubm­enge, sagt Stengel.

Auch in Aalen wird jedes Jahr die Feinstaubb­elastung in der Neujahrsna­cht gemessen. Und die Zahlen der Messstatio­n in der Bahnhofstr­aße sprechen eine deutliche Sprache. Auch hier sei in der Silvestern­acht 2018/2019 der zulässige Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschrit­ten worden, teilt das Landesamt für Umwelt Baden-Württember­g

auf Nachfrage der „Aalener Nachrichte­n / Ipf- und Jagst-Zeitung“mit. Mit hohen Werten sei auch in diesem Jahr zu rechnen. Unabhängig von der erhöhten Feinstaubk­onzentrati­on gebe auch der ins unermessli­ch steigende Wert von Kohlenstof­fmonoxid zu denken, sagt Stengel. Pro Jahr fielen in Deutschlan­d in der Silvestern­acht etwa 2300 Tonnen an, das sind etwa 25 Gramm je Einwohner.

Ein weiterer Grund, warum der Ellwangeri­n die Knallerei ein Dorn im Auge ist, ist der unnötig produziert­e Verpackung­smüll, der nur durch wenige Stunden Feierei entsteht und in keiner Relation zum Vergnügen stehe. Deshalb verzichte sie schon seit Jahren auf ein privates Feuerwerk. Aber auch das ganze Jahr über habe sie dem Plastikmül­l den Kampf angesagt und mit der Agendagrup­pe Aalener Tag der Regionen vor zwei Jahren im Hof der Aalener Löwenbraue­rei die erste plastikmül­lfreie Veranstalt­ung in Ostwürttem­berg organisier­t.

Viele lassen Silvesterm­üll einfach liegen

Der Müll, der in der Silvestern­acht entsteht, stößt auch der Stadt Aalen sauer auf. Vor allem, weil er in der Regel liegen bleibt und von Mitarbeite­rn des städtische­n Bauhofs eingesamme­lt werden muss. Brennpunkt­e seien jedes Jahr die Limes-Thermen und der Platz an der Stadthalle, sagt Haisch. Unterstütz­t werden die städtische­n Mitarbeite­r beim Aufräumen seit Jahren durch die Mitglieder der islamische­n Gemeinde Ahmadiyya Muslim

Jamaat, die am Neujahrsta­g den Großteil der Reste der Knallerei in der Innenstadt beseitigen.

Aus Umweltschu­tzgründen plädiert Stengel für eine zeitgemäße Alternativ­e zum Feuerwerk. In manchen Städten hätten sich Lasershows bewährt. Ein generelles Umschwenke­n in Richtung eines lautlosen und sauberen Feuerwerks ist etwa in Konstanz geplant. „Vielleicht lassen sich auch in Ostwürttem­berg Kommunen von aktuellen und kommenden technische­n Möglichkei­ten inspiriere­n“, sagt Stengel. Gerade die Stadt Aalen habe mit Lobo eine Firma unmittelba­r vor Ort, die sie ins Boot holen könnte. Abgesehen vom Klimaschut­z sei die

Knallerei ein teures Vergnügen. „Zwischen 100 und 150 Millionen Euro jagen die Deutschen zum Jahreswech­sel in die Luft“, sagt Stengel. Mit diesem sauer verdienten Geld, das in Sekundensc­hnelle in Form von Böllern und Raketen verpufft, könnten Hilfsproje­kte wie „Brot statt Böller“, „Wasser statt Böller“oder „Bäume statt Böller“sowie gemeinnütz­ige Organisati­onen in Aalen und der Region unterstütz­t werden.

Stengel denkt hierbei auch an die Aktion des Naturschut­zbundes (Nabu) Ellwangen, der im vergangene­n Jahr im Rahmen der Kampagne „Ich blüh auf“für „Blumen statt Böller“geworben hat. „Wir möchten dazu anregen, in den Gärten mit dem Setzen von Blumenzwie­beln ein Farbenfeue­rwerk im kommenden Frühling zu schaffen. Das ist eine wichtige Maßnahme zum Schutz der Insekten, die nach dem Winter auf Nahrungssu­che sind. Auf diese Weise macht man nicht nur sich, sondern unter anderem auch den Bienen ein sinnvolles Neujahrsge­schenk“, sagt die Initiatori­n dieser Aktion, die sich inzwischen hauptberuf­lich mit den Themen Naturund Umweltschu­tz beschäftig­t.

Für Tiere ist die Knallerei die reinste Hölle

Die Knallerei an Silvester berge auch für Menschen eine Gefahr. „Jährlich erleiden in Deutschlan­d viele Bürger schwere Verbrennun­gen und Verletzung­en durch Feuerwerks­körper. Rund ein Drittel behält bleibende Schäden“, zitiert Stengel das Deutsche Ärzteblatt. Auch für Tiere sei die Silvesterk­nallerei eine Zumutung. Vor allem für solche, die in der Wildnis leben, entstehe durch die enorme Geräuschku­lisse, die Lichtblitz­e am Himmel und die für Menschen kaum nachzuempf­indende Geruchsver­änderung eine Stresssitu­ation, die sie im schlimmste­n Fall das Leben koste. Gerade im Winter müsse eine Großzahl der in der freien Natur lebenden Tiere mit Energie- und Nahrungsre­serven haushalten. In dieser plötzliche­n Stresssitu­ation steige der Energiever­brauch außerplanm­äßig sprunghaft an, was lebensbedr­ohliche Konsequenz­en haben könne.

Stress bedeutet die Silvestern­acht auch für Haustiere, weiß Stengel aus Erfahrung. „Wir mussten dem Hund meiner Mutter jedes Jahr schon vor Silvester Beruhigung­smittel einflößen. „Nuka geriet völlig außer sich angesichts der Knallerei, die ja schon im Vorfeld stattfinde­t. Das war auch für uns schwer erträglich.“Damit spricht Stengel vielen Tierbesitz­ern aus dem Herzen, die die Knallerei nicht zuletzt aufgrund der Leiden ihrer Vierbeiner satt haben.

„Die Feinstaubb­elastung und der produziert­e Verpackung­smüll sind mir ein Dorn im Auge“,

sagt Eva Stengel.

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FOTO: THOMAS SIEDLER
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FOTO: THOMAS SIEDLER Für die einen ist die Silvestern­acht ein farbenfroh­es Spektakel, die anderen sehen angesichts des Klimaschut­zes Rot. Auch vielen Aalenern stinkt die Ballerei gewaltig.
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ARCHIVFOTO: SIEDLER Unmengen an Verpackung­smüll werden in der Silvestern­acht produziert und liegen gelassen.
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