Autos aus Pflanzen, Schuhe aus Spinnenseide
Deutschland soll zum Innovationsstandort der Bioökonomie werden
G- Die Natur könnte das Rennen gewinnen: Zumindest schickt Porsche Rennwagen mit Türen aus Pflanzenfasern los, die leichter sind als Glasfasern, billiger als Carbon. Forscher des Fraunhofer Instituts für Holzforschung haben die neue Bauweise ausgetüftelt.
Sie habe den 911 GT3 Cup schon selbst auf dem Nürburgring getestet, sagt CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner – auf dem Beifahrersitz. Im Motorsport werde häufig neue Technik entwickelt, die später in den normalen Modelle eingesetzt werde. Wir brechen „in eine neue Ära auf“, meint Klöckners Parteikollegin aus dem Forschungsressort, Anja Karliczek. Am Mittwoch hat die Bundesregierung eine Rohstoffstrategie und eine Bioökonomiestrategie vorgestellt.
Erstere kommt aus dem Wirtschaftsressort. Mit ihr soll grundsätzlich die Versorgung der Industrie mit begehrten Ressourcen wie etwa Kobalt für Lithium-Ionen-Akkus in E-Autos gesichert werden. Letztere – zusammen von Klöckners und Karliczeks Ressorts erarbeitet – ist grundsätzlicher. Die erdölbasierte, klimabelastende Wirtschaft soll umgebaut werden.
Der Acker, der Wald, das Wasser, Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen, Pilze sollen dann „biogene Rohstoffe“liefern. Mit Öko ist das nicht zu verwechseln, gemeint ist allein: die Materialien für die Industrie kommen aus der Natur.„Nicht zuletzt der Klimawandel zwingt uns zum Umdenken. Wir müssen alles dafür tun, unsere Lebensgrundlagen zu erhalten und dabei wirtschaftlich stark zu bleiben“, sagt die Forschungsministerin.
Der Erderhitzung, auch dem Plastikmüll in Ozeanen etwas entgegenzusetzen ist das eine. Das andere: Deutschland soll zum, so steht es in der 47 Seiten langen Strategie, „führenden
Innovationsstandort der Bioökonomie“ausgebaut werden. 3,6 Milliarden Euro wird die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren dafür investieren. Auch ein Expertenrat soll eingerichtet werden.
Experimentiert wird schon längst. Mittlerweile gibt es einen Fahrradhelm aus Holz statt allein aus Kunststoff, Turnschuhe aus Spinnenseide oder Fahrradschläuche, in denen Löwenzahn steckt. Portemonnaies können aussehen als seien sie aus Leder, tatsächlich werden sie aber aus einem Baumpilz hergestellt. Papier lässt sich längst aus Gras produzieren, statt aus Holz, das aufwändig mit viel Wasser aufbereitet werden muss. Und für Gummistiefel wird Mais verwendet. Es ist ein Anfang, das Wissen dazu aber noch nicht sonderlich groß. Darum soll sich auch das neue Wissenschaftsjahr, das diesen Donnerstag eingeläutet wird, um Bioökonomie drehen.
Doch nicht alle teilen die Zuversicht, die geplante Rohstoffwende ist umstritten. Denn: Kann es gut gehen, wenn die Äcker der Zukunft nicht nur Menschen mit Nahrung beliefern sollen, sondern auch noch mit Autotüren, also zahlreichen anderen Materialien. „Die Äcker sind begrenzt, die Hauptaufgabe der Bauern bleibt die Erzeugung der Nahrung“, sagt Klöckner. Doch gehe es auch um mehr Vielfalt auf den Feldern, darum wieder in Fruchtfolgen zu denken. Die Bauern hielten ihr dann aber gerne entgegen, dass es für vieles aber keinen Markt gebe. Das ändere sich mit der Bioökonomie, meint die Agrarministerin. Hanf, Flachs und anderes seien dann in der Industrie gefragt.
Bleibt ein anderes Problem: Mittlerweile machen den Landwirten Wetterextreme besonders zu schaffen. Hinter ihnen liegen zwei Dürrejahre.
Die Bundesregierung wolle, heißt es aber in der Strategie, „ihre Aktivitäten bei der Züchtung standort- und klimaangepasster“Sorten ausbauen. Neue Techniken wie die Genschere Crispr/Cas, die Klöckner und Karliczek fordern, werden in der Strategie nicht genannt. Denn die SPD ist gegen diese neue Methode der Biotechnologen.
Der Rennwagen mit den Pflanzenfasern jedenfalls sei genauso leistungsstark wie ein konventionelles Pendant, sagt Klöckner. Und was unter Hochleistungs- und Extrembedingungen funktioniere, sei erst recht für den Alltag tauglich.