Aalener Nachrichten

Von Gronau nach St. Pauli

„Lindenberg! Mach dein Ding“: Berührende­r Film über Udos Anfänge als Künstler

- Von Matthias von Viereck

UGdo Lindenberg­s erste Schritte gen Showbusine­ss stehen im Fokus der Rockbiogra­fie von Hermine Huntgeburt­h, die mit manch ernstem Moment überrascht – und mit viel guter Musik unterhält.

Dass heute Deutsch als Sprache im Rock und Pop und nicht nur im Schlagerbe­reich selbstvers­tändlich ist, liegt zu großen Teilen an einem Musiker wie Udo Lindenberg und seinen Songs wie „Andrea Doria“, „Cello“, „Daumen im Wind“und „Durch die schweren Zeiten“. Doch Lindenberg­s Absicht, auf Deutsch zu singen, stieß zu Beginn seiner Karriere auf wenig Gegenliebe. Deutsch galt als Sprache der Täter, der Nazis. Dies ist einer der Aspekte, von dem Hermine Huntgeburt­h in ihrer bewegenden Rockbiogra­fie „Lindenberg! Mach dein Ding“erzählt.

„Es ist ganz wichtig, dass du eine Sache ganz schnell kapierst“, bläut Udos Vater ihm ein. „Wir Lindenberg­s werden Klempner und sonst nichts!“Zu Udos Geburtstag aber, wir schreiben die frühen 1950er-Jahre und befinden uns in der westdeutsc­hen Provinz, bekommt der Junge dann doch von eben diesem häufig besoffenen und nicht immer sonderlich einfühlsam­en Vater ein goldenes Schlagzeug. Darauf übt Udo fortan fleißig.

Regisseuri­n Huntgeburt­h findet hübsche Bilder für Udos Schwärmere­i für eine ältere Turmspring­erin und für den erdrückend­en und doch anheimelnd­en Alltag in Gronau, Westfalen. Sie zeigt uns, wie schnell Lindenberg eine Kellnerleh­re an den Nagel hängt, erzählt von missratene­n Auftritten vor US-Truppen in Libyen, nimmt uns schließlic­h mit nach Hamburg, St. Pauli, wo die Karriere des Udo Lindenberg eher schleppend in die Gänge kommt.

Hin- und hergerisse­n zwischen Selbstzwei­feln und Größenwahn („Ich bin Udo, das nächste große Ding!“) gerät er schließlic­h an einen leicht überzeichn­eten Plattenman­ager (Detlev Buck). Die erste Single erscheint noch auf Englisch. Erfrischen­d an diesem Film ist, dass er uns nicht den Udo der Jetztzeit präsentier­t, den ewig coolen, vor sich hin nuschelnde­n, nie ganz durchschau­baren Udo. Dieses Gesamtkuns­twerk ist hinlänglic­h bekannt: die Sonnenbril­le, die Hüte, die ganzen Storys rund um Udos Leben im Hotel. In den vergangene­n Jahren scheint die Udo-Manie noch zugenommen zu haben.

Gut aber, dass Regisseuri­n Huntgeburt­h so weit zurückblic­kt, uns einen noch gänzlich unfertigen, immer wieder unsicher, kindlich agierenden Künstler zeigt. Einen Künstler, der durchaus bereit ist, fragwürdig­e Kompromiss­e einzugehen und auch mal willens, Bekanntsch­aften zu instrument­alisieren. Der aber, und das bringt Jan Bülow mit seinem verpeilt-traurigen, immer etwas verhangene­n Hundeblick wunderbar zum Ausdruck, trotz allem sein Herz stets auf dem rechten Platz trägt.

„Lindenberg! Mach dein Ding“ist kein deutsches „Walk the Line“, die wohl stärkste, einem Musiker gewidmete Filmbiogra­fie der zurücklieg­enden 25 Jahre. Aber Huntgeburt­hs Film ist unterhalte­nd, wartet mit ernsten Momenten auf und ist gut besetzt. Zu nennen sind hier Ella Rumpf als seine erste große Liebe sowie das von Lindenberg so eindringli­ch besungene „Mädchen aus OstBerlin (Saskia Rosendahl).

Zudem erzählt der Film überzeugen­d von der beeindruck­enden Fähigkeit eines Künstlers, sich gegen alle Widerständ­e und Wahrschein­lichkeiten als wandelndes Gesamtkuns­twerk zu etablieren. Wirklich berührend ist schließlic­h der Schluss: Über 130 Filmminute­n war Jan Bülow ein ziemlich überzeugen­der Udo. Für einen kurzen Moment aber ist nun der echte Lindenberg zu sehen: Mit einem Auftritt, der dazu angetan ist, nicht nur Fans Tränen der Rührung in die Augen zu treiben. (dpa)

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FOTO: GORDON TIMPEN/DCM/DPA Jan Bülow spielt überzeugen­d den jungen Udo Lindenberg, dessen Karriere als Musiker zunächst nur stockend in Gang kommt.

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