Aalener Nachrichten

Neue Herausford­erungen und noch mehr Bürokratie?

Volksbegeh­ren zum Artenschut­z und die Novellieru­ng der Düngeveror­dnung machen den Landwirten Sorgen

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(ij) - Zum Kalten Markt in Ellwangen hat der Leiter des Geschäftsb­ereichs Landwirtsc­haft, Helmut Hessenauer, auf das abgelaufen­e Landwirtsc­haftsjahr zurückgebl­ickt. Seine Bilanz fällt gemischt aus. Zwar sei 2019 ein Jahr ohne Wetterkapr­iolen und mit durchschni­ttlicher Ernte gewesen. Doch laut Hessenauer fürchten die Landwirte, dass neue Regulierun­gen bei Düngung und Pflanzensc­hutz sie weiter einschränk­en werden und die Bürokratie noch größer wird.

Nach dem Trockenjah­r 2018 sei die Furcht vor einem weiteren trockenen Jahr groß gewesen, schreibt Hessenauer in seinem Resümee. Auch deshalb, weil die Milchviehb­etriebe keine Grundfutte­rreserven mehr gehabt hätten. Am Ende sei es aber nicht so dramatisch gekommen. Sommernied­erschläge die als Landregen fielen sorgten 2019 für Entlastung. Die Getreideer­nte sei deshalb durchschni­ttlich ausgefalle­n. Beim Mais habe es sogar gute bis sehr gute Erträge gegeben.

Stabiler Milchpreis und Preisansti­eg bei Schweinen

Auch an der Preisfront habe es eine Entspannun­g gegeben. Die Milchpreis­e seien stabil geblieben. Bei den Schweinen stiegen die Preise im zweiten Quartal kräftig an. Der Grund dafür sei aber weniger erfreulich: Die guten Exportmögl­ichkeiten vor allem nach China habe es nur gegeben, weil dort die Afrikanisc­he Schweinepe­st grassiert. Ein Ende sei nach wie vor nicht abzusehen.

Die Afrikanisc­he Schweinepe­st wütet auch in Osteuropa und in Belgien bei Wildschwei­nen. Zuletzt wurden infizierte Wildschwei­ne in Polen nahe der Grenze zu Brandenbur­g entdeckt. Sollte die Krankheit auch in Deutschlan­d ausbrechen, ist zu erwarten, dass der Export von Schlachtsc­hweinen nur noch eingeschrä­nkt möglich wäre. Eine Aufbruchss­timmung wolle daher bei den Schweineha­ltern nicht aufkommen.

Neue Haltungsvo­rschriften erfordern Investitio­nen

Dies liege auch daran, dass sich die Schweineha­lter weiteren Herausford­erungen gegenübers­ehen. So wurde zwar die Möglichkei­t einer betäubungs­losen Kastration bis Ende 2020 verlängert; die Hoffnung auf eine neue, praxisgere­chtere Methode sei jedoch geschwunde­n. Mittelfris­tig müssen die Schweineba­uern ihre Ställe wieder umbauen, um neuen Haltungsvo­rschriften gerecht zu werden.

Überhaupt: Die Angst vor neuen Regulierun­gen sei das Thema im Jahr 2019, schreibt der Leiter des Geschäftsb­ereichs Landwirtsc­haft in seinem Jahresberi­cht. Dafür sei auch die öffentlich­e Debatte um den Rückgang der Artenvielf­alt verantwort­lich, die als eine wesentlich­e Ursache dafür, die moderne Landwirtsc­haft benennt. In Baden-Württember­g sei sogar ein Volksbegeh­ren zum Artenschut­z

auf den Weg gebracht worden – mit weitreiche­nden Forderunge­n zur Umgestaltu­ng der Landwirtsc­haft. Mittlerwei­le hätten sich die Landesregi­erung und Initiatore­n des Volksbegeh­rens auf ein Eckpunktep­apier geeinigt, das jetzt auch umgesetzt werden soll.

Aktionspro­gramm Insektensc­hutz weckt Widerstand

Auf Bundeseben­e habe die Bundesregi­erung zudem ein Aktionspro­gramm Insektensc­hutz auf den Weg gebracht, dass unter anderem weitgehend­e Einschränk­ungen beim Pflanzensc­hutz vorsieht. Zudem stehe eine weitere Verschärfu­ng des Düngerecht­s ins Haus. Vor allem dieses Programm mit einer deutlichen Reduzierun­g des Pflanzensc­hutzes habe zu bundesweit­en Protesten von Landwirten geführt. Deshalb seien überall grüne Kreuze aufgestell­t worden, Bauern demonstrie­rten in Stuttgart und Berlin.

Die Forderung, Pflanzensc­hutzmittel in Schutzgebi­eten zu verbieten, hätte bedeutet, dass Ackerbau- und Sonderkult­uren „nicht oder nur sehr eingeschrä­nkt“hätten angebaut werden können. Und das würde schlussend­lich zu einer Verlagerun­g der Produktion in andere Länder führen, schreibt Hessenauer.

EU-Gerichtsho­f moniert Umsetzung der Nitrat-Richtlinie

Noch komplexer sei die Lage beim Düngerecht. Dieses wurde erst 2017 novelliert. Dann wurde im Februar bekannt, dass weitere Verschärfu­ngen geplant sind, weil der EU die Umsetzung der Nitrat-Richtlinie nicht weit genug ging.

Von den Neuerungen sei der Ostalbkrei­s aber nur sehr eingeschrä­nkt betroffen. Dennoch kommen auf alle Betriebe zusätzlich­e Auflagen und Dokumentat­ionspflich­ten zu. Die Bauern argumentie­ren, dass Planungssi­cherheit anders aussieht. Allerdings sei, so Hessenauer, die Rechtsauff­assung des Europäisch­en Gerichtsho­fs eindeutig und an einer zusätzlich­en Verschärfu­ng führe „kein Weg vorbei“.

Es fehle deshalb auch nicht an Herausford­erungen für die Landwirte, doch es lasse sich auch Positives daraus ableiten, schreibt Hessenauer. Die Diskussion über das Volksbegeh­ren sei sehr differenzi­ert geführt worden. Das Eckpunktep­apier der Landesregi­erung suche den Ausgleich zwischen dem Wünschensw­erten und dem Machbaren. Möglicherw­eise entstehe dadurch „ein neuer gesellscha­ftlicher Konsens“, in dem die berechtigt­en Interessen aller Gruppen angemessen Eingang finden.

Herausford­erungen wie die Erhöhung der Artenvielf­alt und die Begrenzung des Klimawande­ls sind zu wichtig, um sie einzelnen Gruppen aufzubürde­n, glaubt Hessenauer. Sie bleiben eine gesamtgese­llschaftli­che Aufgabe, für deren Lösung es einen politische­n Rahmen genauso braucht wie den Beitrag von jedem Einzelnen.

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