Eine Milliarde für die Bauern
Förderung des Bundes soll härtere Düngeregeln abfedern
(klw/nj) - Mit einer „Bauernmilliarde“will die Bundesregierung die Folgen schärferer Düngeauflagen für die Landwirtschaft abfedern. Union und SPD einigten sich in der Nacht zu Donnerstag auf eine entsprechende Förderung. Gleichzeitig sollen sich Agrar- und Umweltministerium bis Ende der Woche auf einen gemeinsamen Entwurf für eine Düngeverordnung einigen, mit dem Deutschland eine drohende Klage der EU abwenden will.
Die neue Förderung soll demnach binnen vier Jahren in „Agrarumweltprogramme und Investitionen“fließen. Vertreter der Regierungsparteien begrüßten den Schritt, Kritik kam von Grünen und FDP.
Der Deutsche Bauernverband reagierte skeptisch. Verbandspräsident Joachim Rukwied lobte die Förderung als „starkes Signal der Wertschätzung“, forderte aber weiterhin Korrekturen an der umstrittenen Düngeverordnung.
- „Wir lassen uns nicht kaufen“, sagt Christian Lohmeyer. Der Aktivist der Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“steht in einem am Donnerstagvormittag bei Facebook hochgeladenen und bis zum Nachmittag dreiundreißigtausendmal geteilten Video in seinem Pferdestall und erklärt, dass die Landwirte die „Schweigemilliarde“nicht wollen. Stattdessen will Lohmeyer die „postfaktische Düngeverordnung“kippen, die seit Monaten bei den Landwirten für Frust und Unmut sorgt. Daraus entstanden Bewegungen wie „Land schafft Verbindung“, die im ganzen Land mit Traktorendemos und grünen Kreuzen auf sich aufmerksam machen.
Von einer „Bauernmilliarde“sprach am frühen Donnerstagmorgen gegen 2 Uhr CSU-Chef Markus Söder nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses. Dort hatten sich die Koalitionsspitzen geeinigt, die deutsche Landwirtschaft binnen vier Jahren mit einer Milliarde Euro „für Agrarumweltprogramme und Investitionen“zu unterstützen. Damit sollen die Bauern beim „Transformationsprozess“unterstützt werden. Wohin genau das Geld fließen soll, ist noch unklar: Denkbar sind Blühstreifenprogramme sowie der Bau von Güllebehältern.
Deutschland droht Strafe
Eine Entschärfung der Düngeverordnung plant die Regierung dagegen offenbar nicht. So sollen die traditionell zerstrittenen Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt zwar bis Freitag „einen konsentierten Entwurf“vorlegen. Doch das Ziel sei, eine Klage der EU gegen den langjährigen Nitratsünder Deutschland „abzuwenden“. Brüssel hat immer wieder klargestellt, dass es die bisherigen deutschen Düngeregeln für zu lasch hält, um das Grundwasser vor zu viel Nitrat zu schützen. Nun drohen der Bundesrepublik bis zu 861 000 Euro Strafe – pro Tag.
Versuche der Bundesministerinnen Julia Klöckner (CDU, Agrar) und Svenja Schulze (SPD, Umwelt), die Kommission zu besänftigen, sind bisher gescheitert. Gleichzeitig rumort es: Vor allem an den Nitratmessungen des Grundwassers und der Frage, ob die Landwirtschaft an hohen Werten alleine Schuld hat, gibt es Zweifel. Auch die geplanten Einschränkungen sind umstritten. Landwirte
warnen vor weniger Pflanzenwachstum und schlechterer Qualität: Doch ein Aussetzen der verschärften Regeln kommt Klöckner zufolge nicht infrage. Entsprechende Forderungen seien „unrealistisch“, schrieb die Ministerin den Bundestagsabgeordneten. „Wir befinden uns nicht am Beginn eines konstruktiven Prozesses mit der Kommission, sondern am Ende eines juristischen. Die Dauerkritik bringt vor allem die Union als Landwirtschaftspartei in Bedrängnis: Die CDU-Bundesvize Silvia Breher warnte kürzlich, der Partei würden die Bauern weglaufen.
Nun will die Koalition die wütenden Bauern mit Geld besänftigen: Bundespolitiker von CDU/CSU und SPD lobten am Donnerstag die Einigung, allerdings gab es auch kritische Zwischentöne: „Die Verstärkung der Agrarumweltmaßnahmen um über eine Milliarde Euro ist insgesamt richtig“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Rief, der selbst einen Bauernhof hat. Rief sieht die Landwirte im Südwesten auch als Opfer von Güllesünden in anderen Teilen Deutschlands wie dem niedersächsischen „Schweinegürtel“. „Aus baden-württembergischer Sicht wäre sicher keine derartige
Verschärfung der Düngeverordnung notwendig. Sie zielt vor allem auf die Bundesländer ab, wo die Nitratwerte über dem Grenzwert sind und ein Zusammenhang zur Landwirtschaft bestehen könnte“, sagte er.
Der agrarpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Spiering, verbindet die Förderzusage an Forderungen an die Landwirtschaft, sich zu erneuern. „Das Geld muss an diejenigen gehen, die bereit sind, den Schritt in die Zukunft zu gehen.“
Selbst der Bauernverband ist mit der Förderzusage nur eingeschränkt zufrieden. Zwar lobte Präsident Joachim Rukwied die Milliarde als „starkes Signal der Wertschätzung an uns Bauern“. Doch „Geld allein löst die Herausforderungen nicht“, betonte er. Fachliche Mängel müssten korrigiert werden, warnte Rukwied.
„Überstürzte Panikreaktion“
Für die Grünen ist die Bauernmilliarde eine „überstürzte Panikreaktion“der Agrarministerin. „Julia Klöckner will die Bauernproteste offenbar hastig unter einen Geldteppich kehren“, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. Damit mache Klöckner den zweiten Schritt vor dem ersten. Und dieser wäre eine
„grundlegende Reform der Agrarförderung“. „Ziel muss es sein, die ganzen rund sechs Milliarden Euro Fördergelder, die Bäuerinnen und Bauern schon bisher jährlich in Deutschland erhalten, nach ökologischen Kriterien zu vergeben“, fordert Ebner. Dort pro Jahr „gerade mal vier Prozent“draufzulegen, sei ein „ÖkoFeigenblatt“. Ebner kommt auf vier Prozent, weil er die Fördersumme durch die vier Jahre teilt. Bei genauerem Durchrechnen wird aus der stolzen Milliarde eine überschaubare Summe: Bei noch etwa 260 000 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland würden im Schnitt pro Monat und Hof im Schnitt nur etwa 80 Euro bleiben. Auch die FDP, die nun verstärkt um Landwirte wirbt, kritisierte die Milliarde scharf: Parteichef Christian Lindner kritisierte, Probleme würden nicht gelöst, sondern mit Steuergeld zugeschüttet. Für Aktivist Christian Lohmeyer ist klar, dass die Milliarde nicht zur Befriedung beiträgt, im Gegenteil. „Das lassen wir uns nicht bieten“, sagt der „Land schafft Verbindung“-Mann im Video und fordert von Klöckner eine Rückkehr zur „Wahrheit“. Seine Prognose: „Bei uns werdet ihr auf Granit beißen.“