Bauern wollen sich nicht kaufen lassen
Warum der Kreisbauernverband Ostalb die Milliardenhilfe des Bundes ablehnt
- Die große Koalition in Berlin will die Bauern unterstützen. Sie verspricht eine Milliarde Euro in vier Jahren. Das Geld steht für Investitionen im Bereich Agrarumwelt zur Verfügung. Wer nun denkt, die Bauern würden sich darüber freuen, der irrt. „Schlechte Gesetze kann man nicht mit Geld ausgleichen“, sagt Hubert Kucher.
Kucher ist Landwirt in Schrezheim und Vorsitzender des Kreisbauernverbands Ostalb-Heidenheim. Er weiß, wie der Vorschlag aus Berlin bei den Bauern ankommt: Sie denken, sie sollen gekauft werden. Doch Kucher ist überzeugt: Besonders die jungen Bauern werden sich nicht kaufen lassen.
Es fühlt sich an wie eine Ohrfeige
Dass der bayerische Ministerpräsident Markus Söder von einer „Bauernmilliarde“gesprochen hat, stößt Kucher zudem ziemlich sauer auf. Er findet den Begriff „herabwürdigend“. Alles in allem fühlen sich die Berliner Ankündigungen für ihn an wie eine Ohrfeige. „Die Bauern kriegen Geld und sollen schweigen.“Die Politik habe die Bauern nicht verstanden.
Hintergrund ist das Agrarpaket der Bundesregierung und die verschärfte Düngemittelverordnung. Die Bauern hatten in den vergangenen Wochen landesweit dagegen protestiert, waren mit ihren Schleppern sogar bis Berlin gefahren. Die Landwirte ärgern sich aber auch über die Forderungen des BienenVolksbegehrens für mehr Artenschutz und über Einschränkungen beim Pestizideinsatz sowie über das Mercosur-Freihandelsabkommen zwischen der EU und mehreren südamerikanischen Staaten.
Eine Milliarde für die Bauern: Kucher rechnet vor, was das pro Betrieb ausmacht – nämlich 500 Euro. Freilich fließt Geld nur bei Investitionen. Zum Beispiel, wenn ein Landwirt eine neue Güllegrube baut oder sich ein neues Güllefass anschafft. Derlei Vorhaben gehen aber schnell in die Hunderttausende.
Johannes Strauß, Geschäftsführer des Kreisbauernverbands Ostalb, erläutert: Vorgabe der Düngemittelverordnung für Gülle ist eine Lagerkapazität von zehn Monaten. Außerdem muss die Gülle künftig bodennah und streifenförmig ausgebracht werden. Die sogenannten Prallteller wurden verboten, weil zu viel Stickstoff in die Atmosphäre gelangt. Hubert Kucher baut gerade eine neue Güllegrube. Freilich ohne die neue
Investitionsförderung. Dass es die geben soll, war bei Baubeginn ja noch nicht bekannt. Kucher schätzt, dass eine moderne Güllegrube mit Ausbaggern und Leckagefolie rund 120 000 bis 130 000 Euro kostet.
Ein neues Güllefass mit Schleppschläuchen ist noch teurer. Kucher rechnet mit 150 000 Euro. Doch damit nicht genug. Das Fass hat ein Leergewicht von acht bis zehn Tonnen und fasst 15 Tonnen Gülle. „Da brauche ich vorne richtig PS“, sagt Kucher.
Kleine Betriebe können die Investitionen nicht stemmen
Also muss der Landwirt auch noch einen neuen, schweren Schlepper anschaffen. „Da bin ich dann mit 35 Tonnen unterwegs.“Der neue Schlepper kostet weitere 100 000 bis 150 000 Euro. Wie Strauß sagt, liegt die Zuschussquote üblicherweise bei zehn bis 20 Prozent. Ergo: „Ein kleiner Betrieb kann sich die Technik nicht leisten.“
Die Düngemittelverordnung geht auf die aus Deutschland gemeldeten schlechten Nitratwerte zurück. Die EU erwartet einen besseren Schutz der Gewässer und droht Berlin mit Strafe – 850 000 Euro pro Tag. Strauß und Kucher erinnern daran, dass es in Baden-Württemberg aber nur wenige„rote Gebiete“gibt, in denen der Nitratgehalt höher liegt als 50 Milligramm pro Liter.
Riesige rote Flächen gibt es dagegen in Niedersachsen, aber auch in
Bayern, Rheinland-Pfalz, NordrheinWestfalen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt. Deshalb fühlen Strauß und Kucher mit den vielen jungen Landwirten im Südwesten, die nicht verstehen können, dass sie teure Technik kaufen sollen, weil andere ihre Probleme nicht in den Griff bekommen.
Übrigens: Kucher geht nicht davon aus, dass der Bauernprotest abebbt. Im Gegenteil. Wie der Kreisbauernverbandsvorsitzende sagt, hat die Initiative „Land schafft Verbindung“am Donnerstag dazu aufgerufen, mit dem Schlepper bei den jeweiligen Abgeordneten vorzufahren.