Aalener Nachrichten

Bauern wollen sich nicht kaufen lassen

Warum der Kreisbauer­nverband Ostalb die Milliarden­hilfe des Bundes ablehnt

- Von Alexander Gässler

- Die große Koalition in Berlin will die Bauern unterstütz­en. Sie verspricht eine Milliarde Euro in vier Jahren. Das Geld steht für Investitio­nen im Bereich Agrarumwel­t zur Verfügung. Wer nun denkt, die Bauern würden sich darüber freuen, der irrt. „Schlechte Gesetze kann man nicht mit Geld ausgleiche­n“, sagt Hubert Kucher.

Kucher ist Landwirt in Schrezheim und Vorsitzend­er des Kreisbauer­nverbands Ostalb-Heidenheim. Er weiß, wie der Vorschlag aus Berlin bei den Bauern ankommt: Sie denken, sie sollen gekauft werden. Doch Kucher ist überzeugt: Besonders die jungen Bauern werden sich nicht kaufen lassen.

Es fühlt sich an wie eine Ohrfeige

Dass der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder von einer „Bauernmill­iarde“gesprochen hat, stößt Kucher zudem ziemlich sauer auf. Er findet den Begriff „herabwürdi­gend“. Alles in allem fühlen sich die Berliner Ankündigun­gen für ihn an wie eine Ohrfeige. „Die Bauern kriegen Geld und sollen schweigen.“Die Politik habe die Bauern nicht verstanden.

Hintergrun­d ist das Agrarpaket der Bundesregi­erung und die verschärft­e Düngemitte­lverordnun­g. Die Bauern hatten in den vergangene­n Wochen landesweit dagegen protestier­t, waren mit ihren Schleppern sogar bis Berlin gefahren. Die Landwirte ärgern sich aber auch über die Forderunge­n des BienenVolk­sbegehrens für mehr Artenschut­z und über Einschränk­ungen beim Pestizidei­nsatz sowie über das Mercosur-Freihandel­sabkommen zwischen der EU und mehreren südamerika­nischen Staaten.

Eine Milliarde für die Bauern: Kucher rechnet vor, was das pro Betrieb ausmacht – nämlich 500 Euro. Freilich fließt Geld nur bei Investitio­nen. Zum Beispiel, wenn ein Landwirt eine neue Güllegrube baut oder sich ein neues Güllefass anschafft. Derlei Vorhaben gehen aber schnell in die Hunderttau­sende.

Johannes Strauß, Geschäftsf­ührer des Kreisbauer­nverbands Ostalb, erläutert: Vorgabe der Düngemitte­lverordnun­g für Gülle ist eine Lagerkapaz­ität von zehn Monaten. Außerdem muss die Gülle künftig bodennah und streifenfö­rmig ausgebrach­t werden. Die sogenannte­n Pralltelle­r wurden verboten, weil zu viel Stickstoff in die Atmosphäre gelangt. Hubert Kucher baut gerade eine neue Güllegrube. Freilich ohne die neue

Investitio­nsförderun­g. Dass es die geben soll, war bei Baubeginn ja noch nicht bekannt. Kucher schätzt, dass eine moderne Güllegrube mit Ausbaggern und Leckagefol­ie rund 120 000 bis 130 000 Euro kostet.

Ein neues Güllefass mit Schleppsch­läuchen ist noch teurer. Kucher rechnet mit 150 000 Euro. Doch damit nicht genug. Das Fass hat ein Leergewich­t von acht bis zehn Tonnen und fasst 15 Tonnen Gülle. „Da brauche ich vorne richtig PS“, sagt Kucher.

Kleine Betriebe können die Investitio­nen nicht stemmen

Also muss der Landwirt auch noch einen neuen, schweren Schlepper anschaffen. „Da bin ich dann mit 35 Tonnen unterwegs.“Der neue Schlepper kostet weitere 100 000 bis 150 000 Euro. Wie Strauß sagt, liegt die Zuschussqu­ote üblicherwe­ise bei zehn bis 20 Prozent. Ergo: „Ein kleiner Betrieb kann sich die Technik nicht leisten.“

Die Düngemitte­lverordnun­g geht auf die aus Deutschlan­d gemeldeten schlechten Nitratwert­e zurück. Die EU erwartet einen besseren Schutz der Gewässer und droht Berlin mit Strafe – 850 000 Euro pro Tag. Strauß und Kucher erinnern daran, dass es in Baden-Württember­g aber nur wenige„rote Gebiete“gibt, in denen der Nitratgeha­lt höher liegt als 50 Milligramm pro Liter.

Riesige rote Flächen gibt es dagegen in Niedersach­sen, aber auch in

Bayern, Rheinland-Pfalz, NordrheinW­estfalen, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt. Deshalb fühlen Strauß und Kucher mit den vielen jungen Landwirten im Südwesten, die nicht verstehen können, dass sie teure Technik kaufen sollen, weil andere ihre Probleme nicht in den Griff bekommen.

Übrigens: Kucher geht nicht davon aus, dass der Bauernprot­est abebbt. Im Gegenteil. Wie der Kreisbauer­nverbandsv­orsitzende sagt, hat die Initiative „Land schafft Verbindung“am Donnerstag dazu aufgerufen, mit dem Schlepper bei den jeweiligen Abgeordnet­en vorzufahre­n.

 ?? FOTO: TOBIAS FAISST ?? Grüne Kreuze bei der Ellwanger Stadthalle. Die Bauern haben sie wegen des Besuchs von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n beim Kalten Markt angebracht. Insgesamt waren es 53. So viele landwirtsc­haftliche Betriebe geben derzeit auf der Ostalb auf – pro Jahr.
FOTO: TOBIAS FAISST Grüne Kreuze bei der Ellwanger Stadthalle. Die Bauern haben sie wegen des Besuchs von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n beim Kalten Markt angebracht. Insgesamt waren es 53. So viele landwirtsc­haftliche Betriebe geben derzeit auf der Ostalb auf – pro Jahr.
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FOTO: GÄSS Für Hubert Kucher (links) und Johannes Strauß ist die angekündig­te Milliarden­hilfe nur „ein netter Versuch“, die Bauern ruhig zu stellen.

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