Immer mehr Landwirte brennen aus
Psychologin referiert beim 12. VR-Landwirtschaftsforum über Burn-out – Auf die innere „Tankanzeige“achten
- Immer mehr Landwirte sind von einem Burn-out betroffen. Elf Prozent gegenüber sechs Prozent der Bürger mit anderen Berufen wachsen Arbeit und Verantwortung über den Kopf. Das sagte die gelernte Landwirtin und Psychologin Maike Aselmeier beim 12. VRLandwirtschaftsforum. Dazu hatte die VR-Bank in ihre Ellwanger Hauptstelle geladen.
Der gute Besuch der jährlichen Veranstaltung zeigte das ungebrochene Interesse an der Vortragsreihe, freute sich Vorstand Jürgen Hornung bei seiner Begrüßung.
Steigende Betriebsgrößen, preisliche Talfahrten an den Agrarmärkten und die wachsende öffentliche Kritik an moderner Landwirtschaft stellen bäuerliche Unternehmerinnen und Unternehmer vor vielfältige Herausforderungen – wirtschaftlich und menschlich. Sie kennen keine geregelte 40-Stunden-Woche. Die Referentin Maike Aselmeier aus Freiburg warnte die Besucher: „Beim ersten Hahnenschrei aufstehen und bis die Sonne untergeht schuften geht auf Dauer nicht.“
Maike Aselmeier ist in der „schlechten Jahreszeit“als Referentin und Mediatorin tätig. Den Sommer verbringt sie zwischen glücklichen Kühen auf der Alp: „Meine Auszeit.“Was für die Referentin ihre Auszeit, ist für die bäuerlichen Betriebe der Alltagsstress, und es gelte, dieses Pensum so zu gestalten, dass es nicht zum „Ausbrennen“führe.
Am Beispiel des fiktiven Jungbauern Jonas zeigte Maike Aselmeier den Besuchern, wie es zum Ausbrennen kommen kann.
Jonas übernimmt den elterlichen Hof, ist voller Energie, will vieles anders und besser machen: neue Hektar, neue Ställe, neue Maschinen. Der Betrieb ist alles, die eigenen Bedürfnisse werden vernachlässigt. Die Arbeit erfordert hohe Effektivität, Probleme werden verleugnet, die Leistungsfähigkeit lässt nach, erste Zweifel kommen und Jonas fängt an zu verbittern, zieht sich zurück, es kommt zu Verhaltenssänderungen. Der typische Weg in den Burn-out: Erschöpfung, Körper macht schlapp, eine innere Leere macht sich breit. Die Nachfrage der Referentin: „Kommt Ihnen das bekannt vor?“führt beim Publikum zu einer gewissen Betroffenheit.
Stress statt Idyll
Zunehmend brennen mehr Menschen in der Landwirtschaft aus. Nach einer Studie sind dies elf Prozent gegenüber sechs Prozent bei den Normalbürgern. Wo doch nach Meinung der Städter die Landwirtschaft ein Idyll sein müsste, mit ruhigem Landleben bei selbstbestimmter Zeit- und Arbeitseinteilung, dem Leben in der Natur mit Tieren und den EU-Ausgleichszahlungen, wie ein
Besucher ergänzte. Das wären durchaus positive Möglichkeiten der Bauern, aber die Medaille hat zwei Seiten. „Wo etwas ausgebrannt ist, muss es gebrannt haben“, so die Referentin.
Der Traktor zeige in der Fehlermeldung, wenn was nicht stimmt. Der Mensch aber habe keine „Tankanzeige“und achte meist nicht auf die Warnsignale, die da sind: Konzentrationsprobleme, Verbitterung, erhöhte Gereiztheit, körperliche Erkrankungen. Meist handle es sich um eine Dauerbelastung, und es gebe eine Summe von Auslösern. Die „Top Five“nach Aselmeier: die Unberechenbarkeit der Natur, die ständige Bereitschaft, viel Verantwortung bei wenig Kontrolle, mangelnde Anerkennung und der Stress mit wenig Pausen. Und dann gebe es noch die „inneren Antreiber“: „Sei perfekt. Mach’s allen recht. Sei stark. Beeil dich. Streng dich an.“
Balance finden
Für ein nachhaltig erfolgreiches bäuerliches Unternehmertum brauche es einen reflektierten Umgang mit der eigenen Leistungsfähigkeit und der zur Verfügung stehenden Zeit, um nicht in die Burn-out-Falle zu geraten, so der Rat von Aselmeier. Die grundsätzlichen Fragen: „Was bin ich und was will ich?“müssten gestellt werden und eine Balance zwischen Beruf, den Sozialkontakten, Spaß und Kreativität, Körper, Fitness und Werten müsse gefunden werden: „Auf einem beruflichen Bein kann man nicht stehen.“
Arbeitsplanung ist sinnvoll
Die Psychologin gab Tipps, wie man das erreichen könne. Dazu gehören ausreichender Schlaf, Besonnenheit, gute Ernährung und Fitness. „Es dürfe ruhig „Leistungsspitzen“wie beispielsweise während der Ernte geben, aber es bedürfe auch Puffern und Pausen und keinen Dauerstress. Eine vernünftige Arbeitsplanung sei sinnvoll, mit 60 Prozent Zeit für geplante Arbeit, 20 Prozent Pausen und 20 Prozent Reserve für Unvorhergesehenes.
Mit einer abschließenden Übung konnten die Teilnehmer ihre eigene „Tankanzeige“reflektieren, bevor Markus Schiele zur Diskussion aufforderte, die dann bei Speis und Trank eher im kleinen Kreis stattfand.