Drei Geschichten gegen das Vergessen
Christoph Heubner hat Gespräche mit Auschwitz-Überlebenden literarisch verarbeitet
Es ist ein Buch zur richtigen Zeit und zum richtigen Thema. Da Fremdenhass und Antisemitismus bis hin zum Leugnen des Holocausts an vielen Ecken der Gesellschaft nicht nur aufflackern, sondern zum Flächenbrand zu werden drohen, kann dieses schmale, aber ausdrucksstarke Bändchen ein wichtiges Zeichen dagegen setzen. Christoph Heubner, der seit Jahrzehnten dafür arbeitet, dass die Erinnerung an den Holocaust erhalten bleibt und sich für die Aussöhnung mit den vom Naziterror am meisten betroffenen Gruppen und Völkern einsetzt, hat aus den vielen Gesprächen, die er mit Überlebenden geführt hat, drei Geschichten verfasst.
Die erste erzählt von einer jungen Frau, die in Auschwitz Furchtbares erlebt hat und auch anschließend einen langen, schwierigen Weg gehen musste, ehe sie in Amerika eine neue Heimat fand. Die zweite, nicht minder eindrucksvolle Geschichte handelt von einem alten Mann und einer alten Frau, die in einem Wald warten – ja, worauf? Sie wissen es nicht. Sie sahen nur, wie sich viele ihrer Leidensgenossen nackt ausziehen und ihre Kleidung sorgfältig zusammenlegen mussten und – angeblich – zum Duschen geschickt wurden. Und sie sehen Rauch und stellen fest, dass es überall so komisch riecht.
Der dritte Text ist zwar eine fiktive Geschichte, die sich aber ebenfalls auf reale Personen bezieht. Heubner lässt die junge polnische Jüdin Felka Platek, eine Malerin, und ihren Geliebten, den ebenfalls jüdischen Künstler Felix Nussbaum, ein Tagebuch schreiben. Die Einträge umfassen einen Zeitraum von 1906 bis zum August 1944, in den die Roaring Twenties in Berlin fallen, ein Stipendienaufenthalt in der Villa Massimo in Rom, die Anfänge der Judenverfolgung und schließlich die Deportation nach Auschwitz, wo beide ermordet wurden.
Der Pfarrerssohn Christoph Heubner hatte sich gleich nach seinem Studium der Geschichte, Politik und Germanistik hauptamtlich in der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste engagiert. In den 1980er-Jahren war er maßgeblich an den Verhandlungen für den Bau der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim (Auschwitz) beteiligt und arbeitete dabei eng mit dem inzwischen verstorbenen Architekten Helmut Morlok aus Isny zusammen, der die Jugendbegegnungsstätte ehrenamtlich geplant und die Ausführung intensiv begleitet hatte. Heute ist Christoph Heubner Executiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees.