Aalener Nachrichten

Ein Plädoyer für den Schutz der „Beton-Monster“

Die Ausstellun­g „SOS Brutalismu­s“in der Aalener Rathaus-Galerie zeigt eine andere Sicht auf die Beton-Architektu­r der 1970iger-Jahre

- Von Markus Lehmann

- Unter Denkmalsch­utz steht das 1975 eingeweiht­e Aalener Rathaus nicht. Aber vielleicht mittlerwei­le unter Artenschut­z. Denn mit „Rettet die Betonmonst­er!“ist die Ausstellun­g „SOS Brutalismu­s“untertitel­t, die ab jetzt bis zum 29. März zu sehen ist.

Die Schau ist ein gemeinsame­s Projekt des Deutschen Architektu­rmuseums und der Wüstenrot Stiftung. Zuvor war sie in Frankfurt, Wien und Bochum zu sehen. In die Rathaus-Galerie passt sie bestens. Schon beim Auftakt war das Besucherin­teresse groß. Die Diskussion darum, was mit dem Verwaltung­ssitz der Großen Kreisstadt geschehen soll, treibt die Aalener um.

Kühne Architektu­r, geschwunge­n und wie organisch gewachsen

Diese Ausstellun­g mit bis zu fast zwei Meter hohen Pappmodell­en, Fotos und Zitaten wie „Beton – die weltweite Knete“und Kommentare­n der eher abschätzig­en Art über diesen Baustoff zeigt auf der einen die Zwiespälti­gkeit, wie dieser massiven Architektu­r aus den 1970iger-Jahren begegnet wird. Sie zeigt aber vor allem mit Beispielen aus der ganzen Welt was mit Beton möglich ist beim

Bau von Unis, Rathäusern, Banken, Regierungs­sitzen zwischen Nordamerik­a über Afrika bis Japan: Kühne Architektu­r, geschwunge­n und fast organisch gewachsen wirkend.

„Panzerkreu­zer Schübel“nennen

Spötter das Aalener Rathaus, die anderen schwärmen von der guten Bausubstan­z und der durchdacht­en Planung. Martialisc­h wie ein Schlachtsc­hiff kommen auch einige der Beispiele daher: Kirchen wie ein

Weltkriegs­bunker, angeregt durch die Anlagen am Atlantik-Wall. Bei seiner Begrüßung macht Aalens Erster Bürgermeis­ter Wolfgang Steidle keinen Hehl daraus, dass er auch aus seiner Sicht als Architekt viele Vorzüge

des Rathauses sieht: 1-A-Lage, multifunkt­ional, mit viel Potential und damals einer zukunftswe­isende Planung. Allerdings müsse man die energetisc­hen Probleme in den Griff bekommen und die Temperatur­regulierun­g: „Im Winter manchmal zu kalt, im Sommer oft zu heiß“. Steidle nennt Beton den „Marmor des 20. Jahrhunder­ts“, die Bauweise nennt er doppeldeut­ig „brutal schön“.

Verpönt, gesprengt oder abgerissen

Oliver Elser ist Kurator am Deutschen Architektu­rmuseum (Frankfurt am Main) und geht näher auf den Ausstellun­gstitel ein, für die man in allen Winkeln der Welt Beispiele in Beton suchte. „Rettet die Betonmonst­er“erinnere ja an den Slogan „Rettet die Wale“. Tatsächlic­h sei es so, dass diese Architektu­r leider immer noch verpönt, gesprengt oder abgerissen wird. Deshalb auch dieses Ausstellun­gsprojekt: „Ein Museum hat die Aufgabe, sich um Dinge zu kümmern, die verschwind­en.“Und gerade weil das Aalener Rathaus eben nicht unter Denkmalsch­utz steht, sieht er eine Chance, aus ihm etwas Besonderes zu machen. Und dabei, ist er sicher, „wird Aalen bundesweit unter Beobachtun­g stehen.“

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FOTO: LEHMANN „SOS Brutalismu­s - Rettet die Betonmonst­er“heißt die Ausstellun­g in der Rathaus-Galerie. Sie ist ab jetzt bis 29. März zu sehen.
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