Der Biber bleibt schwer zu erlegen
Landwirte und Gemeinden klagen über Schäden durch den Nager – Das Land startet ein Modellprojekt in den Kreisen Ravensburg, Alb-Donau, Sigmaringen und Biberach
- Bopfingen (Ostalbkreis) diskutiert, ob ein Fluss verlegt wird. In Gunningen (Kreis Tuttlingen) bricht ein Schlepper ein. Bürger von Dürnau (Kreis Biberach) sollen 20 000 Euro zahlen, um Grundstücke zu entwässern. Drei Meldungen aus der vergangenen Woche, ein Auslöser: Biber bauen und stauen. Rund 5500 der Tiere leben mittlerweile im Südwesten. Bayern bietet nach Schätzung von Naturschützern sogar rund 22 000 Bibern eine Heimat.
Der Regierungsbezirk Tübingen zählt 3300 Biber, 1000 davon im Landkreis Biberach, 900 im Kreis Ravensburg und 550 in Sigmaringen. Deshalb hat das Land diese Regionen und den Alb-Donau-Kreis nun für ein Modellprojekt ausgewählt. Ein Verantwortlicher soll im Mai oder Juni eingestellt werden. Getötet werden darf der Biber aber weiter nur in absoluten Ausnahmefällen, betont das zuständige Umweltministerium. Jäger sollen zwar besser eingebunden werden, wenn es um den Umgang mit den Nagern geht – etwa um die Anzahl der Biber festzustellen und Reviere ausfindig zu machen.
Außerdem können sie dazugeholt werden, wenn Biber in Fallen gefangen und umgesiedelt werden. Diese Arbeiten übernimmt aber wie bisher der Biberbeauftragte des Regierungspräsidiums. Bauern und andere Landnutzer sollen als Biberberater ausgebildet werden. Das bereits existierende Netzwerk dieser zum Teil ehrenamtlichen Helfer wird ausgebaut.
Bibermanager gibt es in allen Regierungspräsidien. Sie beraten Bauern und Kommunen zum Umgang mit dem Tier, stellen zum Beispiel Material zur Verfügung, um ihn zu vergrämen – in diesem Fall Behördendeutsch für „vertreiben“. Etwa, indem man Baumstämme mit Draht umwickelt.
Während Bayern pro Jahr rund 1500 Nager erlegen lässt, geschah das in Baden-Württemberg bislang noch nie. Mit Genehmigung möglich wäre das zwar bereits, doch die Hürden sind hoch. Zwar müssen auch bayerische Behörden einen Abschuss in jedem Einzelfall genehmigen. Aber die Hürden dafür sind niedriger als in Baden-Württemberg. „Das liegt daran, dass in Bayern die Population wesentlich größer ist“, erklärt der
Sprecher des Stuttgarter Umweltministeriums.
Der Umgang mit geschützten Tierarten wie Wolf, Biber und Kormoran liefert stets Konfliktstoff zwischen den baden-württembergischen Regierungspartnern von Grünen und CDU. Diese Arten gelten als bedroht und stehen damit unter strengem Schutz. In Ausnahmen dürfen sie getötet werden. Aber weder ein Wolf noch ein Biber wurden bisher im Südwesten erschossen. Der einzige im Land lebende Wolf reißt zwar regelmäßig Schafe, solange er sich aber nicht wiederholt Menschen nähert oder hohe Schutzzäune überwindet, darf er leben.
Biber müssen zum einen erhebliche Schäden verursachen – etwa Fischzuchtanlagen bedrohen, Straßen oder Hochwasserdämme zerstören oder große Teile von Äckern unbenutzbar machen. Zum anderen müssen alle anderen Möglichkeiten, die Tiere zu vertreiben oder umzusiedeln, ausgeschöpft sein.
Ob ein Tier auch regulär gejagt werden darf, hängt entscheidend davon ab, wie sich die Population entwickelt. Im vergangenen Jahr veröffentlichte das Land dazu Zahlen im Jagd- und Wildtiermanagementbericht. Darin heißt es: „Die Tatsache, dass der Biber noch Gewässer findet, die für ihn besiedelbar sind, zeigt, dass eine biologische Sättigungsgrenze noch nicht erreicht ist.“
Dennoch klagen viele Bauern und Gemeinden, er würde hohe Schäden verursachen, Felder fluten oder Straßen untergraben. Auch Wasserversorger haben zunehmend Probleme damit, dass die Tiere Flüsse umleiten, dass abgenagte Bäume Wehre blockieren und vieles mehr.
Deswegen hatten viele Landwirte und Bürgermeister gehofft, die „letale Entnahme“– beschönigend für Abschuss – werde bald leichter.
Agar- und Jagdminister Peter Hauk (CDU) hatte aus seinen Sympathien für einen leichteren Bibertod nie einen Hehl gemacht. Tatsächlich soll das Modellprojekt auch dem „Aufbau von Handlungsroutinen bei letalen Entnahmen“dienen. Diese würden wahrscheinlicher, je stärker die Population anwachse, so der Ministeriumssprecher. Das hat auch damit zu tun, dass es immer schwerer werden dürfte, gefangene Biber anderswo anzusiedeln, ohne erneut Konflikte auszulösen.
Johannes Enssle vom Naturschutzbund Nabu betont, die Tiere könnten große Schäden anrichten. Aber die Tötung sei kontraproduktiv: „Ein freies Biberrevier wird binnen kürzester Zeit von einem neuen Biber besetzt. Der Effekt für den Schutz von baulichen Anlagen oder landwirtschaftlichen Wiesen und Äckern wäre gleich null.“BUND-Referentin Lilith Stelzner erklärt, sehr hohe Schäden bei Landwirten seien ihr in keinem Fall bekannt. Das Töten der Tiere dürfe nur das allerletzte Mittel sein. „Mit dem sehr guten Bibermanagement im Land bekommt man die allermeisten Probleme gut in den Griff“, so Stelzner.