Mit Udo Lielischkies in Putins Russland
Der langjährige ARD-Korrespondent stellt sein Buch „Im Schatten des Kreml“vor
- Von 1999, als Wladimir Putin an die Macht kam, bis zu seiner Pensionierung 2018 ist Udo Lielischkies ARD-Korrespondent in Moskau gewesen. In der Buchhandlung Rupprecht schilderte er humorvoll seinen Einstand als Novize mit rudimentären Russischkenntnissen. Aus dem Neuling ist ein Russlandkenner geworden. Überzeugend begründete der Publizist seine These, Putin, der blasse Technokrat,, der „gute Zar“, suche gezielt den Konflikt mit dem Westen, um von Missständen in seinem Riesenreich abzulenken: „Er ist der perfekte Frontmann der Show.“
Anders als etwa seine Kollegin Gabriele Krone-Schmalz ist Udo Lielischkles überzeugt, der Westen habe Putins Annäherungssignale nicht übersehen: „Putin war nicht auf dem Weg nach Europa.“Vielmehr habe man sich im Kreml nach dem Rücktritt von Boris Jelzin 1999 ein neues Narrativ überlegt: „Der böse Westen will uns in die Knie zwingen.“
Russlands Herrscher brauche den Konflikt mit dem Westen unbedingt, sagte Lielischkies: „Dass der Westen Russland gekränkt habe, ist eine Schimäre.“Man habe Putin nicht die Tür vor der Nase zugeschlagen. Vielmehr habe man ein Land mit der Wirtschaftskraft des amerikanischen Bundesstaats New York sogar in den Kreis der wichtigsten Industriestaaten aufgenommen. Den Investoren aber biete Putins „simulierte Demokratie“keine Sicherheit.
Mit „klassischem Raubrittertum“habe die Oligarchen-Clique um den Präsidenten rund 83 Prozent des Gesamtvermögens angehäuft. Putins eigenes Vermögen werde auf 40 bis 200 Milliarden Dollar geschätzt. Die Bevölkerung sei bitterarm, die Infrastruktur „gruselig“, so Lielischkies: „Putin investiert lieber in große Events wie die Olympiade in Sotschi.“Die Landflucht nehme immer mehr zu. Die glitzernde „Disneyland“-Metropole Moskau ziehe die Menschen magisch an: „Unruhen wie im September 2011 würden von Moskau aus starten. Deshalb sollen die Leute das Gefühl haben, in einer prosperierenden Stadt zu leben.“
Dass Putin nach seiner Amtszeit als Ministerpräsident erneut Spitzenkandidat für die Präsidentschaft war, hatte damals Massendemonstrationen
ausgelöst. Medien wurden noch härter an die Kandare genommen, die Justiz eingenordet, Propaganda zur schärfsten Waffe des Kreml. Westliche „WattebäuschenSanktiönchen“verpufften, so Lielischkies. Klare Worte der deutschen Außenpolitik fehlten.
Wer Russland verstehen wolle, müsse aufs Land. Anregend beschrieb Lielischkies die Begegnung mit der Familie seiner russischen Ehefrau Katia in der „Banja“, der Sauna der Datscha als „Fixpunkt russischer Großfamilien.“
Wodka half ihm über die Klippen der russischen Sprache hinweg. Längst spricht er sie fließend und ist den Menschen ebenso zugetan, wie er gegenüber „der Spinne im Netz“Wladimir Putin kritisch ist. Putin werde sich auch künftig Zugriff auf die Macht mit imperialem Anspruch sichern. Wie, sei ungewiss: „Das gehört zum Spiel.“
Seine in Russland geborene Frau Katia übersetzt das 2019 erschienene Buch „Im Schatten des Kreml“für ihre Familie ins Russische. Die Frage aus dem Publikum, ob das Buch auch in Russland erscheinen werde, verneinte Lielischkies: „Dafür wird sich wohl kein Verleger finden.“