Bahnchaos verfolgt Hermann
Verkehrsminister rechtfertigt sich im Landtag und verteidigt sich gegen Rücktrittsforderungen
- Zugausfälle, Verspätungen, überfüllte Waggons: BadenWürttembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) steht derzeit heftig in der Kritik. Die wurde in den vergangenen Tagen immer lauter und schwoll bis zu Rücktrittsforderungen an – die auch aus den Reihen des Koalitionspartners CDU kamen. Kritiker werfen Hermann vor, die Schuld für das Bahnchaos auf andere abzuwälzen. Am Donnerstag musste sich Hermann den Vorwürfen im Stuttgarter Landtag stellen. Dort wies er die Verantwortung von sich und schloss persönliche Konsequenzen aus. Er kündigte zudem Entschädigungen für betroffene Fahrgäste an.
Die Kritik entzündet sich vor allem an der Überlastung des Regionalverkehrs auf mehreren Bahnstrecken im Land. Auf der Filstalbahn zwischen Stuttgart und Ulm beispielsweise fallen seit Monaten Züge aus. Pendler klagen über überfüllte Bahnen und massive Verspätungen.
Fehler bei Ausschreibung?
Ein Grund: 2019 hatte der private Betreiber Go Ahead dort den Betrieb von der Deutschen Bahn übernommen. Die Landesregierung hatte diesen ausgeschrieben und sich für Go Ahead entschieden. Der Zughersteller Stadler hatte die Züge jedoch erst kurz vor Beginn des neuen Fahrplans ausgeliefert. Wie sich herausstellte, hatten diese technische Probleme. Kritiker werfen Hermann Fehler bei der Ausschreibung vor.
Doch nicht nur daran entzündet sich der Ärger von Opposition, CDU und den Landkreisen. Am Mittwoch vergangener Woche hatte der Verkehrsausschuss des Landtags über die Zustände auf den Schienen in Baden-Württemberg
diskutiert. Hermann hatte an dieser Sitzung nicht teilgenommen. Er ließ sich von seinem Ministerialdirektor vertreten, da er selbst als Referent bei einer Veranstaltung in Ravensburg aufgetreten war.
AfD-Fraktionschef Bernd Gögel unterstellte Hermann, „frierende Kinder, sich sorgende Arbeitnehmer und ein katastrophales Bild des baden-württembergischen Verkehrs“seien ihm nicht wichtig gewesen. Das, so beteuerte Hermann am Donnerstag, sei ein Fehler gewesen. Im Ministerium wolle man dafür sorgen, dass so etwas nicht mehr vorkomme. Zudem wolle er sich in weiteren Veranstaltungen der Debatte stellen.
Die übrigen Vorwürfe wies Hermann von sich. „Ich lasse mir nicht alle Probleme, die in diesem System vorhanden sind, in die Schuhe schieben“, sagte Hermann. Es sei „doch lächerlich, dass ein Verkehrsminister Schweißnähte und Fahrpläne überprüfen oder Lokomotivführer spielen soll“. Hermann betonte, es sei ärgerlich, wenn Betreiber nicht einhielten, was sie vertraglich zugesichert hätten. Man habe sich sogar regelmäßig von den Herstellern berichten lassen – und die Firmen hätten „falsch informiert“. Der Zughersteller Bombardier, der den privaten Bahnbetreiber Abellio bedient, habe bis heute „maximal die Hälfte“der bestellten Züge geliefert, und Stadler Exemplare mit „jeder Menge Mängel“. Daher sei es „doch völlig klar“, dass Züge und Sitzplätze nicht ausreichen. Deswegen gibt es auch auf der Strecke Stuttgart-Mannheim Probleme.
Derzeit wolle man daher Züge nachbestellen, „wenn es auf dem Markt möglich ist“. Um Personalengpässe auszugleichen, bilde man Flüchtlinge zu Zugführern aus, um einen „Lokführerpool“zu bilden. Auf den können die Betreiber beispielsweise bei Krankheitsfällen zurückgreifen.
Mit einem Bonus-Malus-System wolle man zudem besonders pünktliche Betreiber belohnen und unzuverlässige Anbieter zur Kasse bitten. Von Zugausfällen und Verspätungen betroffene Pendler sollen eine einmalige Entschädigung erhalten. Anspruch darauf haben Menschen mit einer Zeitkarte rückwirkend für ein halbes Jahr.
Neben der AfD, die erneut den Rücktritt Hermanns forderte, gingen auch CDU, FDP und SPD mit dem Verkehrsminister hart ins Gericht. „Sie sind der König der Ausreden“, sagte Martin Rivoir, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er warf Hermann vor, blauäugig und mit seinem Amt überfordert zu sein und zudem Fehler bei der Ausschreibung gemacht zu haben.
Der Koalitionspartner CDU kritisierte Hermann ebenfalls scharf. „Jetzt steigen die Menschen endlich um, aber von der Schiene aufs Auto – so haben wir uns das nicht vorgestellt“, sagte deren verkehrspolitische Sprecher Thomas Dörflinger. Das Chaos mache die CDU-Fraktion fassungslos. Auch er warf Hermann vor, Unternehmen, Betreiber und Verkehrsministerium würden die Schuld hin- und herschieben.
CDU-Generalsekretär Manuel Hagel machte den Schuldigen für sich bereits aus. Hagel postete auf Facebook: „Das Chaos hat einen Namen: Winfried Hermann.“