Neue Vorwürfe gegen Lucha
Am Bodensee und an Flüssen wäre eine Aufrüstung von Kläranlagen oft sinnvoll, aber teuer
(tja) - Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) sieht sich mit neuen Vorwürfen konfrontiert. Auslöser ist eine Nachricht, die der Kabarettist Christoph Sonntag kurz nach einem gemeinsamen Abendessen an Luchas Sohn geschrieben haben soll. Darin soll Sonntag dem Lucha-Filius zusichern, der Name seines Vaters werde nicht auf „der Quittung“auftauchen. Lucha hat bereits zugegeben, dass Sonntag ihm zwei Essen bezahlt hatte – zu einer Zeit, als der Kabarettist Fördergeld vom Land bekam.
- Antibiotika, Waschmittel, künstlicher Süßstoff: Spuren davon finden Wissenschaftler in Flüssen und Seen. Ihre Wirkung auf Mensch, Tier und Pflanze ist oft nicht erforscht. Darum will Landesumweltminister Franz Untersteller (Grüne), dass Kläranlagen an Bodensee-Zuflüssen ausgerüstet werden. Der Gemeindetag wehrt sich jedoch gegen Druck aus Stuttgart. Die Interessenvertreter der Kommunen mahnen: zahlen müsse am Ende der Bürger.
Was weiß man über solche Spurenstoffe im Bodensee und in seinen Zuflüssen?
Mehr als 120 Millionen solcher Spurenstoffe sind bekannt, weitere noch nicht analysiert, stets kommen neue dazu. Das Institut für Seenforschung in Langenargen testete den See 2017 auf rund 120 Stoffe. Gefunden wurden unter anderem 95 Pestizide, fünf Metabolite, sechs Arzneimittel und zwei Industriechemikalien. Metabolite sind chemische Verbindungen, die bei Stoffwechselprozessen entstehen. Keiner der Stoffe kam aber in Konzentrationen vor, die als schädlich für Menschen oder Umwelt gelten. Wissenschaftler der Universität Tübingen mahnen in einem Bericht: solange nur herkömmliche Kläranlagen an den Bodensee-Zuflüssen in Betrieb sind, werde die Zahl und Konzentration der Stoffe weiter steigen. Das Problem liegt vor allem darin, dass es so viele Stoffe gibt und ihrund re Wirkungen im Wasser nicht ausreichend erforscht sind.
Was kann man dagegen tun?
Wichtige Erkenntnisse dazu liefert ein Forschungsprojekt an der Schussen (Landkreis Ravensburg). Dort begleiteten Wissenschaftler den Ausbau der Kläranlage Langwiese. Diese bekam 2012 eine vierte Reinigungsstufe. Sie filtert Spurenstoffe aus dem Wasser. Im Abschlussbericht des Forschungsprojektes heißt es: „Bereits drei Jahre nach Ausbau dieser Anlage zeigten sowohl Fische als auch Fischnährtiere in der Schussen unterhalb der Kläranlage einen deutlich besseren Gesundheitszustand als vor der Maßnahme, was vor allem mit der Entnahme erbgutschädigender, dioxinähnlicher und entwicklungstoxischer Stoffe in Zusammenhang zu bringen ist.“Die Technologie reduziere Spurenstoffe um 80 bis 90 Prozent. Würden alle 19 Kläranlagen im Einzugsgebiet der Schussen eine vierte Reinigungsstufe anbauen, würden pro Jahr zum Beispiel 45 Kilogramm des Schmerzmittels Diclofenac weniger in die Schussen gelangen.
Was kostet das und wer zahlt?
Derzeit arbeiten im Südwesten 16 Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe, neben Ravensburg unter anderem Laichingen, Eriskirch und Kressbronn-Langenargen. Weitere 16 Gemeinden planen einen solchen Schritt, unter anderem Friedrichshafen und Lonsee im Alb-Donau-Kreis. Das Land hat seit 2010 32 Millionen Euro Fördergeld für Aufrüstungen gezahlt. Davon profitierte unter anderem die Kläranlage Langwies, dort zahlte das Land die Hälfte der zehn Millionen Euro für den Bau der vierten Reinigungsstufe. In Eriskich (Bodenseekreis) floss eine Million Euro vom Land, das entspricht einem Fünftel der Baukosten. Je nach Anlage zahlt das Land sogar bis zu 80 Prozent. Den Rest sowie die laufenden Kosten für den Betrieb zahlen die Bürger mit ihren Abwassergebühren. Im Bereich der Kläranlage Eriskirch sind es rund zehn Cent mehr pro Kubikmeter Abwasser, in Ravensburg etwa sieben Cent. So geben es die Betreiber an. Eine vierköpfige Familie verbraucht in Deutschland im Schnitt knapp 170 Kubikmeter Wasser jährlich. Bei zehn Cent mehr würde die Familie rund 17 Euro pro Jahr mehr für die vierte Reinigungsstufe zahlen.
In der Schweiz gibt es ein anderes Modell: Dort beteiligen sich alle Bürger am Ausbau von Kläranlagen, die in Gewässernähe stehen und daher eine Aufrüstung benötigen. Das Argument: Von sauberen Seen und Flüssen profitieren alle, nicht nur die Anwohner der betroffenen Anlagen – und damit sei es auch unfair, nur diese zu belasten.
Welche Pläne gibt es und warum regt sich Kritik?
Das Umweltministerium hat von den rund 900 Kläranlagen im Land 125 identifiziert, bei denen eine vierte Stufe sinnvoll wäre. Welche das sind, will das Ministerium nicht bekannt geben. Entscheiden muss jede Kommune selbst, ob sie die Kosten auf sich nimmt, gesetzlich vorgeschrieben sind die vierten Reinigungsstufen nicht. Unter anderem prüft der Zweckverband Untere Argen, ob die Kläranlage in Unterried (Kreis Ravensburg) aufgerüstet wird. „Das wird bei uns schon kontrovers diskutiert“, sagt Berthold Abt vom Zweckverband. Zum einen werde es für die Bürger teurer. Zum anderen verbrauche die neue Technik deutlich mehr Strom. „Da wollen wir schon abwägen, was das für die CO2-Bilanz heißt.“
Susanne Nusser, stellvertretende Chefin des Städtetags, mahnt vor zu hohen Erwartungen der Landespolitik: „Selbstverständlich soll das Wasser aus den Kläranlagen so sauber wie möglich zurück in unsere Gewässer fließen, ohne Arzneimittel- und andere Rückstände. In den vergangenen Jahren wurden die kommunalen Kläranlagen aber mit immer neuen Anforderungen konfrontiert, die sie umsetzen müssen.“Es gelte, die Gegebenheiten vor Ort zu berücksichtigen und niemanden zu überfordern.
Eine Sprecherin des Gemeindetags wird noch deutlicher: „Die politische Losung ,saubere Gewässer um jeden Preis‘ tragen alle Bürger mit – solange sie abstrakt auf der Landesebene ausgegeben wird. Wir sind allerdings skeptisch, ob die Bürger, wenn es auf der Gebührenabrechnung konkret teurer wird, diese noch uneingeschränkt mittragen. Das sind dann Diskussionen, die Bürgermeister und Gemeinderäte vor Ort zu führen haben.“