Der CDU-Chefin fehlt die Macht
Mangelnden Einsatz kann man der CDU-Chefin nicht vorwerfen: Annegret KrampKarrenbauer hat sich in Erfurt die halbe Nacht mit der Landtagsfraktion um die Ohren geschlagen und den Morgen darauf in der Berliner Zentrale drei Stunden lang mit dem CDU-Präsidium debattiert.
Das Ergebnis ist aber äußerst dürftig: Die Parteispitze bekräftigt mal wieder, dass sie mit der AfD nichts zu tun haben will. Gleichwohl will die Thüringer Landtagsfraktion nicht versprechen, in inhaltlichen Fragen hier und da gemeinsame Sache mit den Rechten zu machen. Die von der Bundes-CDU geforderten Neuwahlen wollen die Erfurter auch nicht. Und dass sie den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zusammen mit der AfD gewählt haben, halten viele in der Fraktion nach wie vor nicht für einen Fehler. Stattdessen schickt die Fraktion ihren Chef Mike Mohring in die Wüste. Möglicherweise machen die Thüringer sogar noch den Weg frei für die in der Bundespartei abgelehnte Wiederwahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow. Denn der Versuch Kramp-Karrenbauers, SPD und Grünen die Suche nach einem neuen Ministerpräsidenten in die Schuhe zu schieben, ist gescheitert.
Dass die Thüringer CDU Berlin die Gefolgschaft verweigert, verwundert nicht. Die Gleichsetzung der Linkspartei von Bodo Ramelow mit der AfD des gerichtlich festgestellten Faschisten Björn Höcke durch die Bundespartei nimmt den Abgeordneten im 2,2-Millionen-EinwohnerLand jede gesichtswahrende Gestaltungsperspektive. Ohne Kooperation mit einer der beiden Seiten kann die CDU nichts bewegen.
Die Parteichefin steckt im Dilemma: Beharrt Kramp-Karrenbauer auf dem 2018er-Unvereinbarkeitsbeschluss nach rechts und links, nimmt sie ihrer Partei nicht nur in Thüringen, sondern in weiten Teilen Ostdeutschlands die Machtperspektive. Weicht sie den Beschluss hingegen auf, laufen die großen westdeutschen Parteiverbände Sturm. Die Parteichefin ist zu schwach, um eine Grundsatzentscheidung durchzuhalten. Und Einsatz kann fehlende Macht nur bedingt ausgleichen.