Trump fühlt sich stark wie nie
Der Präsident übersteht das Impeachment, die Demokraten blamieren sich, und der Ton wird noch radikaler
- Es war eine gute Woche für Donald Trump, vielleicht die beste in seinen drei Jahren im Weißen Haus. Eine Woche, an deren Ende er sich glänzend rehabilitiert sieht. „Totale Entlastung, wie gut das klingt!“, triumphiert er.
Den Freispruch am Ende des Amtsenthebungsverfahrens feiert der amerikanische Präsident als Befreiungsschlag, obwohl nie jemand ernsthaft damit gerechnet hatte, dass sich im Senat die zu seiner Absetzung nötige Zweidrittelmehrheit finden würde. Auch Andrew Johnson und Bill Clinton, die sich ebenfalls einer Impeachment-Klage zu erwehren hatten, wurden von der Kammer 1868 beziehungsweise 1999 nicht für schuldig befunden. Die amerikanische Demokratie legt die Latte sehr hoch, wenn das nur für den Extremfall vorgesehene Manöver der Amtsenthebung ein Wählervotum rückgängig machen soll.
Allerdings, das allein macht schon den Unterschied klar, entschuldigte sich Clinton nach überstandenem Verfahren für seine Fehler. Trump dagegen lässt weder Reue noch Lernbereitschaft erkennen. Er habe alles richtig gemacht im Umgang mit der Ukraine, nur eine Clique „bösartiger, scheußlicher, korrupter“Widersacher habe ihm ohne sachlichen Grund zugesetzt: Das war der Tenor einer bizarren Siegesfeier, zu der er am Donnerstag die loyalsten Loyalisten einer ihm ohnehin schon treu ergebenen Republikanischen Partei ins Weiße Haus einlud. Der in der Filmmetropole Los Angeles beheimatete Abgeordnete Adam Schiff, Chefkläger der Impeachment-Prozedur, ist in Trumps Worten ein „gescheiterter Drehbuchschreiber“, der sich die Vorwürfe „einfach ausgedacht“hat.
Die Art, wie der Präsident neun Monate vor der Wahl zur Offensive bläst, lässt schon erkennen, wie er den Wahlkampf zu führen gedenkt. Wieder einmal zielt alles darauf ab, die eigene Basis zu mobilisieren. Jene durch nichts zu beirrenden Anhänger, die 2016 gerade deshalb für ihn stimmten, weil er den etablierten Eliten verbale Molotow-Cocktails vor die Füße warf, weil er Dinge sagte, die einem Professor aus Harvard nie über die Lippen kommen würden. Um darüber hinaus in der gesellschaftlichen Mitte zu punkten, stempelt er seine demokratischen Herausforderer zu Revolutionären einer „radikalen Linken“. Er stempelt sie zu Gegnern des gesunden Menschenverstands, die 160 Millionen Amerikanern ihre privaten Krankenversicherungen nehmen, hart arbeitenden Menschen durch einen Wust an bürokratischen Auflagen das Leben vergällen und an der Grenze zu Mexiko gedankenverloren zuschauen, wie illegale Einwanderer ins Land strömen. Dies ist die Karikatur, deren Umrisse Trump schon jetzt an die Wand malt.
Deswegen hofft er, dass der linke Flügel der Demokraten den Richtungsstreit der Partei für sich entscheidet. Dann hätte er es im Wahlfinale mit einem Bernie Sanders oder einer Elizabeth Warren zu tun, mit Radikalreformern, deren Programme
so etwas wie eine Projektionsfläche bieten für seine völlig überzogene Warnung vor Experimenten der venezolanischen Art – „Amerika wird niemals ein sozialistisches Land“.
Der New Yorker, seit den Siebzigern geübt im Produzieren publicityträchtiger Zeilen, versteht sich darauf, zum einen die Achillesferse seiner Gegner zu orten und durch Zuspitzung für sich zu nutzen und zum anderen Ängste seiner Wähler zu erkennen und zu schüren. Beides wird er auch in diesem Jahr tun, es im Herbst womöglich auf die Spitze treiben mit einer Kampagne voll düsterer Drohungen vor imaginären Gefahren.
Und doch: Dass er Rückenwind verspürt, steht außer Zweifel. Seine Zustimmungswerte sind dem Gallup-Institut zufolge auf 49 Prozent geklettert, so hoch wie noch nie seit seinem Amtsantritt. Zwar bleibt das weit hinter den Werten zurück, derer sich die meisten seiner Vorgänger im Oval Office im Popularitätshoch erfreuten. Aber, das ist die Krux, im Falle Trumps vollzog sich der Aufschwung während des Amtsenthebungsmarathons, von dem sich die Opposition ja gerade seinen Absturz versprochen hatte, oder zumindest einen eigenen Zugewinn im Kampf um die öffentliche Meinung.
Natürlich profitiert der Präsident auch von den peinlichen Pannen, die sich die Demokraten zum Auftakt ihrer Vorwahlen in Iowa leisteten. Rund 170 000 ihrer Mitglieder beziehungsweise Sympathisanten nahmen dort an dem Votum teil. Dass die Stimmen nach dem Software-Fehler einer Handy-App und dem dilettantisch wirkenden Vermelden von Zwischenergebnissen nach drei Tagen noch immer nicht vollständig ausgezählt waren und am vierten Tag noch einmal von vorn begonnen werden sollte, ist eine handfeste Blamage, die Trump mit sicherem Gespür für sich auszuschlachten weiß. Wie, fragt er schon jetzt, wollen die Demokraten ein staatliches Gesundheitssystem organisieren, wenn sie bereits an einer so einfachen Aufgabe scheitern?
Schließlich die Konjunktur, das vielleicht stärkste Argument des Amtsinhabers, um auch in der gesellschaftlichen Mitte zu punkten, bei Menschen, denen seine Twitter-Tiraden zwar nicht gefallen, die die tägliche Schlammschlacht angesichts guter Wirtschaftsdaten aber auch ignorieren. Es stimmt, die Arbeitslosigkeit ist auf den niedrigsten Stand seit Ende der Sechziger gefallen.
Bei genauerer Betrachtung ergibt sich indes ein differenzierteres Bild, als es vollmundige Reklamesprüche („das große amerikanische Comeback“) suggerieren. Boomregionen stehen strukturschwache Gebiete gegenüber, in denen vom Aufschwung wenig zu spüren ist. Man denke nur an West Virginia, den Staat, dem Trump eine Renaissance der Kohle prophezeite – was an den Gesetzen eines Marktes scheitert, auf dem sich reichlich vorhandenes Erdgas als billigere Energiequelle durchgesetzt hat. Auch sonst offenbart sich bei genauerem Hinsehen keine Faktengrundlage für den von Trump so oft beschworenen Superlativ.
2019 wuchs die US-Wirtschaft um 2,3 Prozent, das ist seit vier Jahren das schwächste Wachstum. Wie die konservative Peterson-Stiftung ermittelte, haben zwar weiße, männliche Amerikaner zu 48 Prozent das Gefühl, finanziell besser oder sogar viel besser dazustehen als zu Beginn des Jahres 2017. Weiße Frauen dagegen sehen es nur zu einem Drittel so, während afroamerikanische Männer etwa zur Hälfte der Meinung sind, dass sich ihre Lage, was das Geld angehe, in dem Zeitraum verschlechtert habe.
Der Präsident wiederum blendet die vielschichtige Realität weitgehend aus, wenn er mit Sätzen, die wie Werbesprüche klingen, für seine Wiederwahl wirbt. „Geht es euch heute besser als vor drei Jahren?“, fragte er neulich in einem Tweet, um die Antwort gleich selber zu geben. „Fast jeder sagt: ja!“