Aalener Nachrichten

Trump fühlt sich stark wie nie

Der Präsident übersteht das Impeachmen­t, die Demokraten blamieren sich, und der Ton wird noch radikaler

- Von Frank Herrmann

- Es war eine gute Woche für Donald Trump, vielleicht die beste in seinen drei Jahren im Weißen Haus. Eine Woche, an deren Ende er sich glänzend rehabiliti­ert sieht. „Totale Entlastung, wie gut das klingt!“, triumphier­t er.

Den Freispruch am Ende des Amtsentheb­ungsverfah­rens feiert der amerikanis­che Präsident als Befreiungs­schlag, obwohl nie jemand ernsthaft damit gerechnet hatte, dass sich im Senat die zu seiner Absetzung nötige Zweidritte­lmehrheit finden würde. Auch Andrew Johnson und Bill Clinton, die sich ebenfalls einer Impeachmen­t-Klage zu erwehren hatten, wurden von der Kammer 1868 beziehungs­weise 1999 nicht für schuldig befunden. Die amerikanis­che Demokratie legt die Latte sehr hoch, wenn das nur für den Extremfall vorgesehen­e Manöver der Amtsentheb­ung ein Wählervotu­m rückgängig machen soll.

Allerdings, das allein macht schon den Unterschie­d klar, entschuldi­gte sich Clinton nach überstande­nem Verfahren für seine Fehler. Trump dagegen lässt weder Reue noch Lernbereit­schaft erkennen. Er habe alles richtig gemacht im Umgang mit der Ukraine, nur eine Clique „bösartiger, scheußlich­er, korrupter“Widersache­r habe ihm ohne sachlichen Grund zugesetzt: Das war der Tenor einer bizarren Siegesfeie­r, zu der er am Donnerstag die loyalsten Loyalisten einer ihm ohnehin schon treu ergebenen Republikan­ischen Partei ins Weiße Haus einlud. Der in der Filmmetrop­ole Los Angeles beheimatet­e Abgeordnet­e Adam Schiff, Chefkläger der Impeachmen­t-Prozedur, ist in Trumps Worten ein „gescheiter­ter Drehbuchsc­hreiber“, der sich die Vorwürfe „einfach ausgedacht“hat.

Die Art, wie der Präsident neun Monate vor der Wahl zur Offensive bläst, lässt schon erkennen, wie er den Wahlkampf zu führen gedenkt. Wieder einmal zielt alles darauf ab, die eigene Basis zu mobilisier­en. Jene durch nichts zu beirrenden Anhänger, die 2016 gerade deshalb für ihn stimmten, weil er den etablierte­n Eliten verbale Molotow-Cocktails vor die Füße warf, weil er Dinge sagte, die einem Professor aus Harvard nie über die Lippen kommen würden. Um darüber hinaus in der gesellscha­ftlichen Mitte zu punkten, stempelt er seine demokratis­chen Herausford­erer zu Revolution­ären einer „radikalen Linken“. Er stempelt sie zu Gegnern des gesunden Menschenve­rstands, die 160 Millionen Amerikaner­n ihre privaten Krankenver­sicherunge­n nehmen, hart arbeitende­n Menschen durch einen Wust an bürokratis­chen Auflagen das Leben vergällen und an der Grenze zu Mexiko gedankenve­rloren zuschauen, wie illegale Einwandere­r ins Land strömen. Dies ist die Karikatur, deren Umrisse Trump schon jetzt an die Wand malt.

Deswegen hofft er, dass der linke Flügel der Demokraten den Richtungss­treit der Partei für sich entscheide­t. Dann hätte er es im Wahlfinale mit einem Bernie Sanders oder einer Elizabeth Warren zu tun, mit Radikalref­ormern, deren Programme

so etwas wie eine Projektion­sfläche bieten für seine völlig überzogene Warnung vor Experiment­en der venezolani­schen Art – „Amerika wird niemals ein sozialisti­sches Land“.

Der New Yorker, seit den Siebzigern geübt im Produziere­n publicityt­rächtiger Zeilen, versteht sich darauf, zum einen die Achillesfe­rse seiner Gegner zu orten und durch Zuspitzung für sich zu nutzen und zum anderen Ängste seiner Wähler zu erkennen und zu schüren. Beides wird er auch in diesem Jahr tun, es im Herbst womöglich auf die Spitze treiben mit einer Kampagne voll düsterer Drohungen vor imaginären Gefahren.

Und doch: Dass er Rückenwind verspürt, steht außer Zweifel. Seine Zustimmung­swerte sind dem Gallup-Institut zufolge auf 49 Prozent geklettert, so hoch wie noch nie seit seinem Amtsantrit­t. Zwar bleibt das weit hinter den Werten zurück, derer sich die meisten seiner Vorgänger im Oval Office im Popularitä­tshoch erfreuten. Aber, das ist die Krux, im Falle Trumps vollzog sich der Aufschwung während des Amtsentheb­ungsmarath­ons, von dem sich die Opposition ja gerade seinen Absturz versproche­n hatte, oder zumindest einen eigenen Zugewinn im Kampf um die öffentlich­e Meinung.

Natürlich profitiert der Präsident auch von den peinlichen Pannen, die sich die Demokraten zum Auftakt ihrer Vorwahlen in Iowa leisteten. Rund 170 000 ihrer Mitglieder beziehungs­weise Sympathisa­nten nahmen dort an dem Votum teil. Dass die Stimmen nach dem Software-Fehler einer Handy-App und dem dilettanti­sch wirkenden Vermelden von Zwischener­gebnissen nach drei Tagen noch immer nicht vollständi­g ausgezählt waren und am vierten Tag noch einmal von vorn begonnen werden sollte, ist eine handfeste Blamage, die Trump mit sicherem Gespür für sich auszuschla­chten weiß. Wie, fragt er schon jetzt, wollen die Demokraten ein staatliche­s Gesundheit­ssystem organisier­en, wenn sie bereits an einer so einfachen Aufgabe scheitern?

Schließlic­h die Konjunktur, das vielleicht stärkste Argument des Amtsinhabe­rs, um auch in der gesellscha­ftlichen Mitte zu punkten, bei Menschen, denen seine Twitter-Tiraden zwar nicht gefallen, die die tägliche Schlammsch­lacht angesichts guter Wirtschaft­sdaten aber auch ignorieren. Es stimmt, die Arbeitslos­igkeit ist auf den niedrigste­n Stand seit Ende der Sechziger gefallen.

Bei genauerer Betrachtun­g ergibt sich indes ein differenzi­erteres Bild, als es vollmundig­e Reklamespr­üche („das große amerikanis­che Comeback“) suggeriere­n. Boomregion­en stehen struktursc­hwache Gebiete gegenüber, in denen vom Aufschwung wenig zu spüren ist. Man denke nur an West Virginia, den Staat, dem Trump eine Renaissanc­e der Kohle prophezeit­e – was an den Gesetzen eines Marktes scheitert, auf dem sich reichlich vorhandene­s Erdgas als billigere Energieque­lle durchgeset­zt hat. Auch sonst offenbart sich bei genauerem Hinsehen keine Faktengrun­dlage für den von Trump so oft beschworen­en Superlativ.

2019 wuchs die US-Wirtschaft um 2,3 Prozent, das ist seit vier Jahren das schwächste Wachstum. Wie die konservati­ve Peterson-Stiftung ermittelte, haben zwar weiße, männliche Amerikaner zu 48 Prozent das Gefühl, finanziell besser oder sogar viel besser dazustehen als zu Beginn des Jahres 2017. Weiße Frauen dagegen sehen es nur zu einem Drittel so, während afroamerik­anische Männer etwa zur Hälfte der Meinung sind, dass sich ihre Lage, was das Geld angehe, in dem Zeitraum verschlech­tert habe.

Der Präsident wiederum blendet die vielschich­tige Realität weitgehend aus, wenn er mit Sätzen, die wie Werbesprüc­he klingen, für seine Wiederwahl wirbt. „Geht es euch heute besser als vor drei Jahren?“, fragte er neulich in einem Tweet, um die Antwort gleich selber zu geben. „Fast jeder sagt: ja!“

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FOTO: WHITE HOUSE/IMAGO IMAGES „Trump freigespro­chen“, fasst die „Washington Post“das Ergebnis des Impeachmen­t-Verfahrens in den USA zusammen – Präsident Donald Trump zelebriert das Ergebnis mit Hingabe.

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