Macron bietet Europa nukleare Zusammenarbeit an
Der französische Präsident denkt über „strategischen Dialog“nach – Was heißt das für die Nato?
- EigentlichGsollte sich die Rede, die Emmanuel Macron am Freitag an der Militärakademie „École de guerre“hielt, mit der Atomwaffendoktrin Frankreichs befassen. Doch für den Präsidenten ist Frankreich in dieser Frage nicht von Europa zu trennen. „Unsere Atomstreitmacht stärkt die Sicherheit Europas und hat daher eine echte europäische Dimension“, sagte er in seiner gut einstündigen Ansprache.
Es war ein Auftritt mit viel Selbstbewusstsein. Frankreich ist nach dem Brexit die einzige Atommacht in der EU. Macron lud die Europäer zu einem „strategischen Dialog“über die atomare Abschreckung ein. Konkret könnten andere Staaten an Übungen der französischen Atomstreitmacht teilnehmen, bot er an. Ziel sei ist eine „strategische Kultur“, die Europa in dieser Frage entwickeln soll. Auch bei den Abrüstungsverhandlungen sollten die Europäer künftig mit am Tisch sitzen. „Schließlich geht es um unser Gebiet“, sagte er mit Blick auf atomare Mittelstreckenraketen, die Europa zum Ziel haben könnten.
Dass Frankreich seinen Atomschirm über die anderen 26 EU-Länder ausspannt, ist nicht zu erwarten. Die europäischen Nachbarn dürften einen solchen Schritt skeptisch sehen.
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte am Mittwoch bei ihrer Befragung durch die deutsch-französische Parlamentarierversammlung bereits klargemacht, dass Deutschland unter dem Nato-Nuklearschirm stehe, der vor allem von der „amerikanischen
Seite“geliefert werde. Sie reagierte damit auf den Vorschlag des CDU-Fraktionsvizes Johann Wadephul, bei den Atomwaffen mit Frankreich zu kooperieren. Deutschland solle sich mit eigenen Mitteln an der nuklearen Abschreckung beteiligen und im Gegenzug solle Frankreich seine Atomwaffen unter ein gemeinsames Kommando von EU oder Nato stellen, lautete Wadephuls Idee.
Für Frankreich ist ein solcher Schritt undenkbar. Die Atomstreitmacht wurde unter Charles de Gaulle 1960 gegründet und ist nicht in die Nato integriert. An der nuklearen Planungsgruppe nimmt Frankreich nicht teil, Macron schloss eine Rückkehr in das Gremium erneut aus.
Der Staatschef selbst hatte die Nato vergangenes Jahr als „hirntot“bezeichnet und sich damit die heftige Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel eingehandelt. Vor seinen Soldaten gab Macron sich versöhnlicher: „Frankreich ist der transatlantischen Allianz treu“, versicherte er. Die Nato sei ein Pfeiler der europäischen Sicherheit, das „Europa der Verteidigung“der andere.
Seit seinem Amtsantritt wirbt der 41-Jährige für dieses „Europa der Verteidigung“, das bis hin zu einer gemeinsamen Armee gehen soll. Rüstungsprojekte wie das Kampfflugzeug FCAS, das Deutschland zusammen mit Frankreich entwickelt, und der gemeinsame Kampfpanzer MGCS sind erste Schritte hin zu einer solchen Armee.
Macrons Rede gehört zum Ritual jedes Präsidenten, der als Oberbefehlshaber der Streitkräfte einmal in seiner Amtszeit über die Atomwaffendoktrin spricht. Frankreich liegt mit weniger als 300 Atomsprengköpfen als Atommacht auf Platz drei hinter Russland und den USA. 37 Milliarden Euro sollen bis 2025 für die Modernisierung der Atomstreitmacht ausgegeben werden. Einen Dialog mit den europäischen Partnern über die atomare Abschreckung hatte schon der frühere Präsident Nicolas Sarkozy angeboten. Das Echo darauf blieb allerdings aus.