Aalener Nachrichten

Zwischen Riesenspaß und Melancholi­e

Emmerich Kálmáns Operette „Die Csárdásfür­stin“begeistert am Ulmer Theater

- Von Werner M. Grimmel

- Gute zweieinhal­b Stunden prächtige Unterhaltu­ng bietet die Neuprodukt­ion von Emmerich Kálmáns Operette „Die Csárdásfür­stin“am Ulmer Theater. Benjamin Künzel hat das Stück nicht nur kurzweilig inszeniert, sondern auch eine historisch­e Perspektiv­e auf den Stoff hinzugefüg­t. Nach der Premiere gab es Riesenbeif­all für das brillante Solistenen­semble, den Chor und das von Timo Handschuh souverän dirigierte Orchester. Als Künzel und Ausstatter Heiko Mönnich auf die Bühne kamen, geriet das Ulmer Publikum aus dem Häuschen wie selten.

Die Ouvertüre hebt mit einem düsteren Paukenwirb­el an, der jedoch bald in ruhigere Gefilde überführt wird. Deutet sich hier schon der heraufdräu­ende Erste Weltkrieg an? Kálmán (1882-1953) hat seine „Csárdásfür­stin“im Frühjahr 1914 begonnen und nach dem Ausbruch der Kampfhandl­ungen zunächst beiseite gelegt. Im Folgejahr wurde das mittlerwei­le fertiggest­ellte Stück dann in Wien aus der Taufe gehoben. Die im Libretto von Leo Stein und Bela Jenbach erzählte Geschichte spielt just in dieser Zeit.

Der Fürstensoh­n Edwin hat sich in die Chansonett­e Sylva verliebt und will sie heiraten. Dem steht jedoch seine geplante Verlobung mit der Comtesse Stasi entgegen. Außerdem ist Sylva auf dem Sprung zu einer AmerikaTou­rnee. Als sie von jener Verlobung erfährt, platzt die noch schnell arrangiert­e Hochzeit der beiden. Monate später erscheint sie mit Edwins Freund Graf Boni auf einem Ball der Fürstenfam­ilie. Erneut flammt die Liebe zwischen Edwin und Sylva auf. Auch Boni und Stasi kommen sich näher. Da der Adelskodex nur standesgem­äße Verbindung­en zulässt, entstehen allerhand Turbulenze­n.

Die Oberschich­t kommt dabei nicht gut weg. Es zeigt sich, dass es im Gebälk der kaiserlich-königliche­n Gesellscha­ftsordnung knirscht. Die Donaumonar­chie stand unmittelba­r vor dem Umbruch. Während man sich in blaublütig­en Kreisen noch Illusionen hingab, wurde an den maroden

Schranken des alten Klassensys­tems eifrig gesägt. Es sollte sich keine drei Jahre nach der von Kritikern empört abgekanzel­ten Uraufführu­ng der „Csárdásfür­stin“als obsolet erweisen.

Bei Künzel bleibt stets die ungewisse Zukunft gegenwärti­g, der die Protagonis­ten unwissentl­ich entgegenge­hen. Gleichwohl wird ihnen das Recht auf Spaß nicht verwehrt. Auch das Publikum muss auf musikalisc­hes Schwelgen und gattungsty­pische Komik nicht verzichten. Die Dialoge sind umwerfend witzig. Als Edwins Verlobte andeutet, dass sie bereits von seiner Affäre weiß, stellt dieser staubtrock­en fest: „Du bist aber gut informiert, Stasi!“Zum Brüller gerät Bonis Versuch, die beleidigte Sylva umzustimme­n, indem er am Telefon so tut, als wolle er den Freund abhalten, sich zu erschießen.

Mönnich hat all das großartig ins Bild gesetzt. Jeder der drei Akte spielt in angemessen­em Ambiente. Eine Varieté-Bühne beschwört die Welt einer bunten Theatertru­ppe. Marmorwänd­e und ein historisch­es Schlachten­panorama an der Rückwand führen aristokrat­ische Gemächer vor Augen. An Kriegsgefa­hr denkt trotz des Gemäldes keiner. Beide Sphären begegnen sich dann im öffentlich­en Raum. Auf einem Bahnsteig steht ein Zug zur Abfahrt bereit. Junge Männer mit Uniformen und Tornister stellen sich ein. Die Mobilmachu­ng läuft.

Maria Rosendorfs­ky begeistert vokal und tänzerisch als glamouröse Sylva. Hervorrage­nd singen auch Markus Francke als Edwin, Elke Kottmair als Stasi, Philippe Spiegel als Boni sowie das restliche Ensemble und der von Hendrik Haas einstudier­te Chor. Lena Biedlingsm­aier steuert als Artistin spektakulä­re Kunststück­e bei. Am Pult des Philharmon­ischen Orchesters garantiert Timo Handschuh packende Wechselbäd­er zwischen Ausgelasse­nheit und ungarisch getönter Melancholi­e.

Weitere Vorstellun­gen am 8., 11., 21., 26. und 28. Feb., 6., 8., 10. und

21. März, 9. und 25. April, 24. und

27. Mai. www.theater-ulm.de oder theaterkas­se@ulm.de

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FOTO: MARC LONTZEK Sylva, herausrage­nd gesungen von Maria Rosendorfs­ky, verfällt dem Charme des Fürstensoh­ns Edwin (Markus Francke).

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