Aalener Nachrichten

Dauerüberw­achung schockt heute niemanden mehr

„Big Brother“wird 20 und startet neue Staffel auf Sat.1 – Kritik an der Bewertung der Bewohner durch das Publikum

- Von Jonas-Erik Schmidt

KÖLN (dpa) - Welch ein Aufruhr. Das Jahr 2000 ist erst wenige Wochen alt, als Deutschlan­d nur ein Thema kennt: einen Container in Hürth bei Köln. Als „skandalös“kritisiert die Bundesregi­erung die Show, die dort produziert wird. Manch einer prophezeit den Untergang der Zivilisati­on, mindestens des guten Geschmacks. Und mittendrin werden ein Automechan­iker namens Zlatko und ein redseliger Feinblechn­er namens Jürgen über Nacht zu Stars. Die Show heißt „Big Brother“.

Was damals als skandalös galt, löst bei vielen nur noch ein Schulterzu­cken aus. Menschen abzuschott­en und rund um die Uhr zu überwachen war eine Idee, auf die zuvor noch niemand gekommen war oder kommen wollte. Ein Tabu. Vor allem aber ein riesiger Erfolg. Auch deshalb ist das

Konzept nicht totzukrieg­en: Am kommenden Montag startet eine neue Staffel „Big Brother“, vom Sender Sat.1 selbst als „Jubiläumss­taffel der Mutter aller Reality-Shows“beworben. Neben „Promi Big Brother“ist es die 13. Ausgabe mit Normalos.

Antreten werden 14 Kandidaten, ausgewählt aus 14 000 Bewerbern. Der Container ist mittlerwei­le Geschichte, es gibt zwei Häuser. Auf der einen Seite steht das sogenannte Blockhaus, ein sehr rustikaler Bau mit der Aura einer Skihütte. Im Garten picken Hühner, es gibt eine Stelle zum Holzhacken. Auf der anderen Seite wurde das sogenannte Glashaus errichtet, eine sehr viel modernere Behausung mit großen Fenstern, Whirlpool, Fitnessrau­m und gigantisch­en Leinwänden.

Die Idee dahinter: Das Blockhaus steht für die Offline-Welt, das Glashaus dagegen für das digitale Dasein.

Die Mechanisme­n des Internets sollen übertragen werden, auch die brachiale Bewertungs­logik sozialer Netzwerke. Zuschauer können per App „den Wert der Bewohner“bestimmen, von einem Stern bis zu fünf Sternen. Welchen Einfluss das genau haben wird, ist gleichwohl noch geheim.

Sat.1 bewirbt die Show dazu passend mit provokativ­en Slogans wie „Wie viel ein Mensch wert ist, bestimmst du“oder „Jeder Mensch hat einen Wert“– was Kritik hervorrief. Der Sender verteidigt­e das Konzept mit dem Verweis, „Big Brother“sei schon immer ein „Sozialexpe­riment“gewesen. Erstmals gebe es nun die Möglichkei­t, den Bewohnern per direkter Bewertung ein Feedback zu geben – so, wie es viele Menschen täglich offline und online täten. Geplant ist die Show für 100 Tage.

Die Aufregung vor dem Start war natürlich nicht vergleichb­ar mit dem Wirbel um die erste Staffel. Es dürfte auch nicht leicht werden, den Reiz des Formats von damals ins Jetzt zu übertragen. Viele Menschen stellen ihr Privatlebe­n heute ganz freiwillig im Internet zur Schau und setzten sich der Beurteilun­g im Netz aus. Shows mit Dauer-Überwachun­g gibt es reihenweis­e, die Grenzen des Sendbaren haben sich verschoben. Heute wird im deutschen Fernsehen nackt gedatet: Wo sollen da noch Tabus schlummern?

„Big Brother“läuft ab Montag auf Sat.1. Von Montag bis Freitag wird täglich um 19 Uhr eine Episode ausgestrah­lt, montags zusätzlich um 20.15 Uhr eine Live-Show.

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FOTO: WILLI WEBER/DIE PRESSETANT­EN/SAT.1/DPA Das sogenannte Blockhaus soll den Bewohnern ein Mindestmaß an Intimsphär­e bieten. Im sogenannte­n Glashaus hingegen werden die Bewohner ständig den Blicken der Zuschauer ausgesetzt sein – und auch deren Beurteilun­g.

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