Koffi Sokpoli aus Togo ist ein „Glücksgriff“
In der Metzgerei Kirsch lernt der Flüchtling zum zweiten Mal Fleischer
ELLWANGEN - Viele Metzgereien suchen händeringend nach Fachpersonal. Die Ellwanger Metzgerei Rainer Kirsch ist deshalb glücklich, nach langem Suchen einen Lehrling gefunden zu haben. Seit September 2019 macht Koffi Sokpoli in dem Ellwanger Fachbetrieb eine dreijährige Ausbildung. Der 44-Jährige stammt aus Togo, kam im Dezember 2018 als Asylbewerber nach Deutschland und ist in Ellwangen, auch aufgrund seines ehrenamtlichen Engagements, bereits integriert.
„Wir sind sehr zufrieden“, sagen Metzgermeister Rainer Kirsch und seine Ehefrau Beate unisono. Denn Koffi Sokpoli sei sehr lernwillig und freundlich, er lerne schnell und werde von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geschätzt. An Weihnachten wurde er denn auch von der Firma und vom Mitarbeiterteam mit Geschenken überhäuft. Kein Wunder: Sokpoli ist bereits gelernter Metzger. Seine Fleischerausbildung absolvierte er von 1994 bis 1997 im französischsprachigen Teil der Schweiz, in Monthey im Kanton Wallis. Danach arbeitete der Westafrikaner für eine große deutsche Firma in Togo, später in Benin und Ghana. 2011 ging er Metzger zurück in die Schweiz, um bis 2014 in der Fleischindustrie zu arbeiten.
Mit Hilfe von Freunden kaufte sich Sokpoli dann Maschinen und eröffnete 2016 in Togo eine eigene Firma. Doch die Selbstständigkeit hielt nicht lange an: 2018 musste er aus politischen Gründen aus seinem Heimatland fliehen. Über Marokko, Frankreich und die Schweiz kam er nach Deutschland. Sein Großvater, der im Ersten Weltkrieg auf deutscher Seite kämpfte und Deutsch sprach, schwärmte einst von Deutschland als „dem besten Staat in dieser Welt“. Das blieb dem Enkel im Gedächtnis. Es sei Gottes Wille, dass er nach Deutschland gekommen sei. Togo war von 1884 bis zum Kriegsende deutsche Kolonie.
Über Karlsruhe und Heidelberg landete Sokpoli in der Landes-Erstaufnahmestelle (LEA) in Ellwangen. Dort lernte er LEA-Leiter Berthold Weiß kennen. Beate Kirsch, die Frau von Metzgermeister Rainer Kirsch, hatte Weiß gebeten, Ausschau nach Personen zu halten, die sich für die Branche eigneten. So kam Sokpoli im Mai zu einem Praktikum in die Metzgerei. Und da sich der Togolese nicht ungeschickt anstellte, durfte er im September in dem Ellwanger Betrieb eine Ausbildung beginnen.
Koffi Sokpoli macht die Ausbildung Riesenspaß. Er kann seinem Ausbildungsbetrieb für diese Möglichkeit
nicht genug danken. Dass er diese Chance erhalten hat, hänge auch mit dem Flair der Kleinstadt zusammen. Denn in Ellwangen kennt nahezu jeder jeden. Die Vermittlung zur Metzgerei Kirsch lief auch über Bürgermeister Volker Grab. Der hatte den gläubigen Christen in der evangelischen Kirche kennengelernt, wo der 44-Jährige im Posaunenchor die Tuba spielt.
Natürlich sei er da der einzige Schwarze unter lauter Weißen, lacht Sokpoli, und beweist damit seinen unerschütterlichen Humor. Seine Vorfreude auf die Teilnahme am diesjährigen Landesposaunentag in
Ulm ist groß. Das Datum, den 28. Juni, weiß er auswendig. Koffi Sokpoli rechnet mit 8000 bis 9000 teilnehmenden Musikern. Ob er dann auch der einzige Schwarze sein wird?
Mit seinem zehn Kilo schweren Instrument ist der Togolese seit April 2019 übrigens auch aktiver Musiker im Musikverein Schrezheim. Tubisten sind gefragt, ebenso wie Fleischer. Derzeit sucht Sokpoli, der eine Aufenthaltsgestattung besitzt und gern in Ellwangen wohnen möchte, dringend ein Zimmer. Denn auf die Dauer mit dem Zug aus Aalen, wo er in einem Wohnheim lebt, zur Ausbildungsstätte in Ellwangen zu fahren, ist umständlich.
Die Berufsschule besucht der Afrikaner in Schwäbisch Gmünd. „Im Praktischen ist er sehr gut“, weiß Beate Kirsch. Mittlerweile kennt der Hobbykoch, der in Togo nur Brühund Kochwurst gemacht hat, viele Abteilungen in der Metzgerei, darunter auch die Herstellung von Dosenwurst, was er in seiner ersten Ausbildung nicht gelernt hat.
Ein weiterer Wunsch von Koffi Sokpoli wäre, seinen 16 Monate alten Sohn einmal von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Denn ihn kennt er bislang nur über Fotos via Skype und WhatsApp, die er aus Togo erhält.