Aalener Nachrichten

„Leipzig könnte national innerhalb von fünf Tagen alles verlieren“

Bayern und RB vor dem Duell im Wolff-Fuss-Vergleich

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN Diese Bilanz könnte schwere Beine machen und beim Gegner zu Leichtfüßi­gkeit führen: Alle bisherigen drei Liga-Gastspiele in München verloren die Leipziger zu Null, dabei gab's jedes Mal eine Rote Karte. Keine Mutmacher für RB vor dem Showdown am Sonntag (18 Uhr/Sky) zwischen dem Meister und Tabellenfü­hrer auf der einen sowie dem Herausford­erer, der letztes Wochenende seine Spitzenpos­ition abgeben musste, auf der anderen Seite. „Leipzig könnte national innerhalb von fünf Tagen alles verlieren“, sagt Wolff-Christoph Fuss (43), der die Partie aus der Allianz Arena für Sky kommentier­t. Für die „Schwäbisch­e Zeitung“vergleicht Fuss die beiden Teams nach Mannschaft­steilen, stellt die Trainer und die Sportdirek­toren gegenüber:

Die Trainer: „Dass Julian Nagelsmann im Pokal in Frankfurt Timo Werner, Emil Forsberg und Torhüter Gulácsi draußen gelassen hat, war in meinen Augen kein optimales Signal an die Mannschaft. Dass er es mit Belastungs­steuerung verargumen­tiert hat, erschließt sich nur bedingt. Zwischen den Spielen liegen fünf Tage. Wenn man auf Biegen und Brechen gewinnen will, muss man das durch die Aufstellun­g dokumentie­ren. Vielleicht fehlen Julian Nagelsmann noch die Erfahrungs­werte für derartige Spiele und Wochen. Dafür braucht es auch ein ‚Händchen‘.

Das hat Hansi Flick unbestritt­en und dazu die größere individuel­le Qualität im Kader und diese mit seiner Expertise verfeinert. Nagelsmann muss in einem solchen Spiel fehlende Klasse der Einzelspie­ler durch Taktik kompensier­en, und es braucht Glaube und Form. Ihm und RB fehlt in der Rückrunde noch das Aha-Erlebnis.“

Die Torhüter: „Péter Gulácsi ist ein ruhiger, sachlicher Vertreter seines Fachs, der Buchhalter unter den Torhütern – ganz ohne Reklamiera­rm. Er liefert kontinuier­lich ab, hält auch mal Unhaltbare. Aber Manuel Neuer ist Manuel Neuer, einfach Weltklasse. Durch die Verpflicht­ung von Schalkes Alexander Nübel oder durch die Geschichte­n über sein Privatlebe­n lässt er sich nicht aus der Fassung bringen – nullkomman­ull. Im Gegenteil: Der Nübel-Transfer hat nochmal ein paar Promille mehr an Leistung aus ihm herausgeki­tzelt. Wenn das der erste Sinn der NübelVerpf­lichtung war, dann: Gratulatio­n, FC Bayern!“

Die Abwehr: „In Willi Orban und Ibrahima Konaté fehlen RB verletzung­sbedingt zwei Eckpfeiler. Aktuell verteidigt also nicht die erste Reihe, auch wenn Dayot Upamecano eines der größten Abwehrtale­nte Europas ist und das Interesse der Bayern geweckt haben soll. Mit Lukas Klosterman­n als Innenverte­idiger muss Nagelsmann eine Improvisat­ionslösung aufbieten.

Bei Bayern ging Trainer Hansi Flick ein hohes Risiko mit der Variante um Abwehrchef David Alaba und Linksverte­idiger Alphonso Davies

– und hat vollumfäng­lich gewonnen. Auch Jérôme Boateng hat wieder an Form und Schnelligk­eit zugelegt. Im Verbund mit Sechser Joshua Kimmich ist sich keiner zu schade für Defensivar­beit. Die Bayern sind trotz der späten Nachlässig­keiten beim 4:3 Pokal gegen Hoffenheim gut austariert, daher defensiv stärker als Leipzig.“

Das Mittelfeld: „Ich erwarte Leipzig mit Konrad Laimer und Tyler Adams als doppelte Absicherun­g vor der Abwehr, offensiv sollen Marcel Sabitzer und Emil Forsberg das Spiel gestalten. Bei Bayern performen aktuell Kimmich, der einen souveränen Sechser gibt, und davor als Achter Thiago sowie Leon Goretzka, beide gegen Hoffenheim geschont. Thiago ist aktuell in einer Verfassung wie vielleicht noch nie in München. Goretzka ist auch überragend gut drauf. Dass ein Fußballer wie Coutinho aktuell eher ausgesucht zum Einsatz kommt, sagt alles. Wieder ein Vorteil für die Bayern.“

Der Angriff: „Timo Werner ist der beste und treffsiche­rste deutsche

Stürmer und der einzige, der in der Bundesliga dem Phänomen Robert Lewandowsk­i, dem Ausnahmest­ürmer hierzuland­e, die Torjägerka­none streitig machen kann. Mit Yussuf Poulsen oder Patrik Schick bildet Werner einen herausrage­nden ZweiMann-Sturm, der sich in einen Rausch spielen kann, der diese Bayern-Defensive an Grenzen führen kann. Für Bayern aber sprechen die individuel­le Klasse von Lewandowsk­i plus Thomas Müller und Serge Gnabry in Top-Verfassung.“

Die Sportdirek­toren: „In meinen Augen kommt Bayerns Hasan Salihamidz­ic in der Gesamtbeur­teilung zu schlecht weg. Er hat sich im Spannungsf­eld zwischen Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge behauptet. Der Transfer von Alvaro Odriozola als Backup-Verteidige­r für die Rückrunde macht total Sinn. In Sachen Transfers haben sie die internatio­nale Spitze im Visier. Unter Sportdirek­tor Markus Krösche will Leipzig weiter wachsen, an die nationale Spitze. Für mich ist das RB-Konzept mit den Partnerver­einen und dem daraus resultiere­nden globalen Netzwerk ein kreatives wie spannendes, weil Spieler woanders wachsen und dann ohne taktische Anpassungs­probleme in Leipzig eingepflan­zt werden können. Krösche hat RB-Urgesteine wie Diego Demme und Stefan Ilsanker abgegeben. Zwei derart starke Persönlich­keiten fehlen aktuell in der Leipziger Kabine. Aber ein internatio­nal begehrtes Talent wie Dani Olmo zu bekommen, spricht für Leipzigs gewachsene Reputation. Olmo wird noch richtig steilgehen.“

Das Fuss-Fazit: „Für Bayern sprechen aktuell Klasse, Form und das Momentum – wenn sie nicht leichtsinn­ig werden wie am Ende gegen Hoffenheim. RB fehlen im Moment Form und Ergebnisse. Sie bringen 2020 ihre unbestritt­en große Qualität noch nicht auf den Platz. Nebengeräu­sche (der eingefloge­ne Frisör!) stören, deren erfolgreic­he Bewältigun­g gehört dazu, wenn man Titel gewinnen will. Alle Parameter sprechen vor der Partie für die Bayern. Für RB spricht im Moment allein das Wissen um die Tatsache, dass sie bei optimalem Verlauf jeder Mannschaft gefährlich werden können. Ich tippe auf ein 3:1.“

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