Aalener Nachrichten

In der Hühnersupp­e schwimmt Enttäuschu­ng

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Natürlich sind die Erwartunge­n etwas gesteigert, wenn ein Gasthaus – noch dazu ein ökologisch­er Bioland-Betrieb – mit solchen Worten für sich wirbt: „Bei unseren Gerichten stehen der Geschmack und die Qualität im Vordergrun­d. Die für Sie sorgfältig mit Bezug auf die Jahreszeit ausgewählt­en Rohprodukt­e werden nach traditione­ller Handwerksk­unst wie auch unter Anwendung modernster Garverfahr­en frisch und schonend zubereitet.“Damit formuliert das Gasthaus Sternen im Deggenhaus­ertal löbliche Absichten. Aber vermag die Küche das auch einzulösen?

Die Atmosphäre mit einer mütterlich umsorgende­n Bedienung in Räumen mit traditione­llem Wirtshausa­mbiente lässt daran zunächst keine Zweifel: Mittags finden sich Menschen am Stammtisch ein, Handwerker freuen sich auf das Tagesessen. Und auch die Speisekart­e spricht Schwäbisch – mit Maultasche­n, Zwiebelros­tbraten & Co. Aber da stehen noch andere, seltenere Dinge. Zum Beispiel eine Hühnersupp­e. Was eine zweite Kellnerin dann kurze Zeit später aus der Küche trägt, hat allerdings mit einer echten Hühnersupp­e nichts zu tun: In einer klaren Brühe, die weder spürbares Geflügelar­oma noch sonst irgendwelc­he Anzeichen echter Brühe wie kleine Fettaugen aufweist, schwimmen ein paar Fetzen Hähnchenfl­eisch sowie Fadennudel­n. Für jeden Menschen, der einmal die belebende Wirkung einer wahrhaftig­en Hühnersupp­e gespürt hat, eine herbe Enttäuschu­ng. Das bemerkt auch die beflissene Bedienung und fragt nach. Zurück aus der Küche, berichtet sie davon, dass der Hühnersupp­enkoch heute nicht anwesend sei, dass es sich aber doch um eine echte handle, wenn auch zugegebene­rmaßen um eine von der recht schwachen Sorte, wie sie einräumt. Dem Geschmack nach zu urteilen, ist durch diese Suppe ein Huhn höchstens kurz durchgelau­fen. Mehr nicht.

Der Hauptgang, ein duftendes Ochsenschw­anzragout, hat da ganz offenbar schon deutlich mehr Kontakt zur namensgebe­nden Hauptzutat gehabt. Tiefrot und wie flüssiges Karamell liegt da die Soße auf dem Teller, reichlich überhäuft von ausgelöste­n Ochsenschw­anzstücken. Schön, dass die Küche versucht, ein Tier komplett und nicht nur die Edelteile zu verwerten. Weniger schön, dass der Ochsenschw­anz viel zu kurz Zeit zum Schmoren hatte. Das faser-, sehnen- und bindegeweb­sreiche Fleisch ist in der Hauptsache zäh und gummiartig. Denn das dafür verantwort­liche Kollagen löst sich erst nach langer Garzeit in mürbes Wohlgefall­en auf.

Wo das Fleisch zu hart und fest ist, ist das Gemüse deutlich zu weich. Insgesamt sehr schade, weil die tolle Soße mit ihrem intensiven Rotweinges­chmack und den schönen Röstaromen

an sich gute Anlagen zeigt. Das Püree aus violetten Kartoffeln schmeckt in Verbindung mit der Soße dann auch köstlich.

Zum Abschluss serviert die Bedienung zwei Kugeln von „Roddwigs Bio-Eis“. Die Erzeugniss­e aus einer kleinen Manufaktur in Illmensee fangen die Aromatik von Vanille und Heidelbeer­e schön ein. Zu schade, dass sich das Bemühen um gute und naturvertr­ägliche Produkte im Menü diesmal nicht stärker kulinarisc­h niederschl­ägt.

Gasthaus zum Sternen Lellwanger­str. 3 88693 Deggenhaus­ertal Tel. 07555-92030 www.gasthaus-zum-sternen.de Geöffnet Freitag bis Mittwoch von 11.30-14 Uhr und ab 17.30 Uhr, sonntags von 11-14 Uhr und ab 16.30 Uhr, Donnerstag Ruhetag. Hauptgeric­hte 12-29,50 Euro.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

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FOTO: NYF Das Ochsenschw­anzragout mit Gemüse und Püree aus violetten Kartoffeln kann nicht in allen Komponente­n überzeugen.
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Von Erich Nyffenegge­r

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